Der Kleine Katechismus
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Zum dritten, wenn du sie nun diesen kurzen Katechismus gelehrt hast, nimm dir dann
den großen Katechismus
vor und hilf ihnen auch zu einem reicheren und weiteren
Verständnis. Lege ihnen daraus jedes Gebot, jede Bitte und jedes Stück dar mit seinen
mancherlei Werken, Nutz und Frommen, Gefahr und Schaden, wie du das reichlich
findest in vielerlei Büchlein, die davon handeln. Und betreibe dasjenige Gebot und
Stück besonders und am meisten, das bei deinen Leuten am meisten Not leidet. So
mußt du das siebte Gebot vom Stehlen bei Handwerkern, Händlern, ja auch bei Bauern
und ihren Dienstleuten kräftig betreiben, denn bei solchen Leuten gibt es viel Verun-
treuung und Dieberei. Ebenso mußt du das vierte Gebot bei den Kindern und den ein-
fachen Leuten anführen, daß sie still, treu, gehorsam, friedfertig seien, dazu immer
viele Beispiele aus der Heiligen Schrift bringen, wo Gott solche Leute gestraft oder
gesegnet hat.
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Vor allem wirke hier auch auf die Obrigkeit und die Eltern ein, daß sie ihre Macht in
rechter Weise ausüben und die Kinder zur Schule führen. Zeige ihnen, daß sie solches
zu tun schuldig sind und welch eine verfluchte Sünde es ist, wenn sie es nicht tun;
denn sie stürzen und verwüsten damit als die ärgsten Feinde Gottes und der Menschen
beide, das Reich Gottes und das Reich der Welt. Und hebe hervor, welchen furchtba-
ren Schaden sie anrichten, wenn sie nicht helfen, die Kinder zum Pfarrer, Prediger,
Schreiber u.s.w. zu schicken, und daß Gott sie schrecklich dafür strafen wird. Denn
hier muß man predigen: Die Eltern und die Obrigkeit sündigen jetzt hierin, daß es
nicht mehr zu sagen ist; der Teufel hat damit Grausames im Sinn.
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Zuletzt, weil nun die Tyrannei des Papstes beseitigt ist, so wollen sie auch nicht mehr
zum Sakrament gehen und verachten’s. Hier ist es aber nötig anzutreiben, doch so, daß
wir niemanden zum Glauben oder zum Sakrament zwingen, auch kein Gesetz noch
Zeit noch Ort [dafür] vorschreiben sollen, sondern so predigen, daß sie selbst ohne
unser Gesetz darauf drängen und uns Pfarrherrn geradezu zwingen, das Sakrament zu
reichen. Das tut man so, daß man ihnen sagt: Wer das Sakrament nicht sucht noch
begehrt wenigstens einmal oder etwa viermal im Jahr, bei dem ist zu befürchten, daß
er das Sakrament verachtet und kein Christ ist, wie auch der kein Christ ist, der das
Evangelium nicht glaubt oder hört. Denn Christus sprach nicht: „Solches lasset“ oder
„Solches verachtet“, sondern: „Solches tut, sooft ihr trinkt“ u.s.w. (1. Kor 11, 25). Er
will’s wahrlich getan und keinesfalls unterlassen und verachtet haben: „Solches TUT“,
spricht er.
Wer aber das Sakrament nicht hochachtet, der zeigt, daß er keine Sünde, kein
Fleisch, keinen Teufel, keine Gefahr, keine Hölle hat, das heißt, er glaubt nichts da-
von, obgleich er bis über beide Ohren drin steckt und so zweifältig des Teufels ist.
Wiederum bedarf er auch keiner Gnade, [keines] Lebens, Paradieses, Himmelreichs,
Christus’, Gottes noch irgendeines Gutes. Denn wenn er glauben würde, daß er soviel
Böses hat und soviel Gutes bedürfte, so würde er das Sakrament nicht so verachten, in
dem solchem Übel abgeholfen und soviel Gutes gegeben wird. Man brauchte ihn auch
mit keinem Gesetz zum Sakrament zwingen, sondern er würde selbst gelaufen und
8 Luthers „Deutsch Katechismus“ oder eine entsprechende ausführliche Erklärung; vgl. oben die Einleitung.