Die Bekenntnisschriften - page 300

Abhandlung über die Amtsgewalt des Papstes und der Bischöfe
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Genossen und Vorkämpfer von Gottlosigkeit und ungerechter Grausamkeit zu sein.
Deshalb sind unsere Gewissen hinreichend entschuldigt. Denn die Irrtümer der Papst-
herrschaft sind offenkundig. Und die Schrift ruft mit lauter Stimme, diese Irrtümer
seien die Lehre der Dämonen und des Antichrists (1. Tim 4, 1). Offenkundig ist der
Götzendienst [486] bei der Profanierung der Messen, die neben anderen Fehlern in
schamloser Weise zu häßlichem Gewinn mißbraucht werden. Die Lehre von der Buße
ist vom Papst und seinem Anhang völlig verderbt worden. Sie lehren nämlich, daß die
Sünden wegen des Wertes unserer Werke vergeben werden. Sodann verlangen sie zu
zweifeln, ob die Vergebung stattfindet. Nirgends lehren sie, daß die Sünden umsonst
um Christi willen vergeben werden und daß wir, indem wir dies glauben, die
Vergebung der Sünden erlangen. So verdunkeln sie die Herrlichkeit Christi und
rauben den Gewissen den festen Trost und schaffen den wahren Gottesdienst ab,
nämlich die Übungen des Glaubens, der gegen die Verzweiflung kämpft.
Sie haben die Lehre von der Sünde verdunkelt und eine Tradition von der Aufzäh-
lung der einzelnen Verfehlungen erfunden, die viele Irrtümer und Verzweiflung her-
vorruft. Sie haben dazu noch Bußleistungen erfunden, wodurch sie ebenfalls die
Wohltat Christi verdunkelten. Daraus sind die Ablässe entstanden; diese sind reine
Lügen, des Gewinnes wegen erdacht. Sodann die Anrufung der Heiligen: Wieviel
Mißbräuche und welch schreckliche Abgötterei brachte sie hervor! Wieviel Misse-
taten sind durch die Tradition des Zölibats entstanden! Welche Finsternis hat die
Lehre von den Gelübden über das Evangelium gebreitet! Darin erdichteten sie, die
Gelübde seien die Gerechtigkeit vor Gott und verdienten die Vergebung der Sünden.
So verwandelten sie die Wohltat Christi in menschliche Traditionen und brachten die
Lehre vom Glauben zum Erlöschen. Sie gaben die lächerlichsten Traditionen als
Gottesdienst und Vollkommenheit aus und hielten sie höher als die Werke der
Berufung, die Gott verlangt und angeordnet hat. Diese Irrtümer sind nicht geringzu-
achten, denn sie verletzen die Ehre Christi und bringen den Seelen Verderben; man
kann nicht darüber hinwegsehen.
Sodann kommen zu diesen Irrtümern zwei schwere Sünden. Erstens, daß der Papst
jene Irrtümer mit ungerechter Grausamkeit und Todesurteilen verteidigt. [487] Zwei-
tens, daß er der Kirche die Gerichtsbarkeit entzieht und nicht zuläßt, daß die kirch-
lichen Streitigkeiten ordnungsgemäß entschieden werden, vielmehr behauptet, er stehe
über dem Konzil und könne die Beschlüsse der Konzile aufheben, was gelegentlich
auch Bestimmungen des Kirchenrechts unverschämterweise besagen. Daß aber die
Päpste dies noch viel unverschämter getan haben, sieht man an Beispielen. Im neun-
ten Kapitel des Decretum Gratiani steht in der dritten Quaestio [Frage] der Satz:
„Niemand darf den obersten Stuhl richten, denn der Richter wird weder vom Kaiser
noch vom Klerus, noch von Königen, noch vom Volk gerichtet.“ Auf diese Weise übt
der Papst eine doppelte Tyrannei aus. Er verteidigt seine Irrtümer mit Gewalt und
Mord und verbietet die Untersuchung. Durch letzteres schadet er sogar noch mehr als
durch alle Hinrichtungen, denn nachdem die wahrhaftige Gerichtsbarkeit der Kirche
abgeschafft wurde, können die gottlosen Lehren und Kulte nicht beseitigt werden und
verderben seit vielen Jahrhunderten zahllose Seelen.
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