Der Kleine Katechismus
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Enchiridion
Der Kleine Katechismus
für die gemeinen
Pfarrherrn und Prediger
[Vorrede]
1
Martin Luther allen treuen, frommen Pfarrherrn und Predigern. Gnade, Barmherzig-
keit und Friede in Jesus Christus, unserm Herrn.
Diesen Katechismus oder [auch] christliche Lehre in einer so kleinen, schlichten,
einfältigen Form darzubieten, hat mich die klägliche, elende Not gezwungen und ge-
drungen, die ich neulich erfahren habe, als ich auch [einmal] Visitator
war. Hilf, lie-
ber Gott, welchen Jammer habe ich gesehen, daß die einfachen Leute doch so gar
nichts wissen von der christlichen Lehre, besonders auf den Dörfern. Und leider sind
viele Pfarrherrn sehr ungeschickt und untüchtig zu lehren; doch sollen sie alle Christen
heißen, getauft sein und die heiligen Sakramente genießen, können aber weder Vater-
unser noch das Glaubensbekenntnis oder die Zehn Gebote, leben dahin wie das liebe
Vieh und wie unvernünftige Säue, und wo [nun] das Evangelium gekommen ist, haben
sie dennoch fein gelernt, alle Freiheit meisterlich zu mißbrauchen.
2
O ihr Bischöfe, wie wollt ihr es vor Christus verantworten, daß Ihr das Volk so
schändlich sich selbst überlassen habt und euer Amt nicht einen Augenblick ernst
genommen habt. Daß euch dafür nicht die Strafe treffe! Ihr verbietet die eine Gestalt
[des Abendmahls]
und dringt auf eure Menschengesetze, [doch] ihr fragt nicht da-
nach, ob sie das Vaterunser, das Glaubensbekenntnis, die Zehn Gebote oder irgendein
Gotteswort kennen. Ach und Weh über euren Hals ewiglich.
3
Darum bitte ich um Gottes willen euch alle, meine lieben Herren und Brüder, die
Pfarrherrn und Prediger sind, ihr wollet euch eures Amtes von Herzen annehmen, euch
erbarmen über euer Volk, das euch anbefohlen ist, und uns helfen, den Katechismus in
die Leute, insbesondere in das junge Volk zu bringen. Und die, die es nicht besser
3 Handbuch.
4 einfach, ungelehrt.
5 Bei der Visitation in Kursachsen und Meißen 1528–1529; s. o. die Einleitung.
6 Die Reformation führte die bis ins 13. Jahrhundert praktizierte Austeilung des Abendmahls an die Gemeinde
„unter beiderlei Gestalt“, also mit Brot und Wein, wieder ein.