Die Bekenntnisschriften - page 330

Der Große Katechismus
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Vorrede Martin Luthers
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Daß wir den Katechismus so sehr betreiben und zu betreiben begehren und bitten, da-
für haben wir nicht wenige Gründe, da wir sehen, daß leider viele Prediger und Pfarr-
herrn hierin sehr nachlässig sind und beides verachten, ihr Amt und diese Lehre; eini-
ge aus großer, hoher Kunst,
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einige aber aus lauter Faulheit und Bauchsorge. Diese
stellen sich nicht anders zur Sache, als wären sie um ihres Bauches willen Pfarrherrn
oder Prediger und brauchten, solange sie leben, nichts zu tun, als die Pfarrgüter zu
nutzen, wie sie es unter dem Papsttum gewohnt waren.
Und obwohl sie alles, was sie lehren und predigen sollen, jetzt so reichlich, klar und
leicht vor sich haben, in soviel heilsamen Büchern und, wie sie es vorzeiten nannten,
in rechten „Sermones per se loquentes“, „Dormi secure“, „Paratos“ et „Thesauros“
,
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sind sie doch nicht so fromm und redlich, daß sie solche Bücher kauften, oder, wenn
sie diese auch haben, sie dennoch weder ansehen noch lesen. Ach, das sind allemal
schändliche Freßlinge und Bauchdiener, die besser Sauhirten oder Hundeknechte sein
sollten als Seelsorger und Pfarrherrn.
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Und wenn sie doch nur soviel täten, da sie das unnütze, beschwerliche Geschwätz der
sieben Gebetszeiten
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nun los sind, daß sie statt dessen morgens, mittags und abends
etwa ein Blatt oder zwei aus dem Katechismus, Betbüchlein, Neuen Testament oder
sonst aus der Bibel lesen und ein Vaterunser für sich und ihre Pfarrkinder beten wür-
den! Damit würden sie doch dem Evangelium wiederum Ehre und Dank erweisen,
durch welches sie von so mancherlei Last und Beschwernis befreit sind. Und wenn sie
sich doch ein wenig schämen würden, daß sie, wie die Säue und Hunde, nicht mehr
vom Evangelium behalten als solche faule, schädliche, schändliche, fleischliche Frei-
heit. Denn der Pöbel achtet leider das Evangelium ohnehin allzu gering, und wir rich-
ten nichts Besonderes aus, auch wenn wir allen Fleiß darauf verwenden. Wohin soll
es denn führen, wenn wir nachlässig und faul sein wollen, wie wir es unter dem
Papsttum gewesen sind!
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Dazu kommt noch das schändliche Laster und heimliche, böse Übel der Sicherheit
und des Überdrusses, daß viele meinen, der Katechismus sei eine simple, geringe
Lehre, die sie einmal überlesen, und dann bald alles zu kennen meinen, das Buch in
den Winkel werfen und sich geradezu schämen, mehr darin zu lesen. Ja, man findet
wohl etliche Rülzen und Filze
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auch unter dem Adel, die so tun, als ob man hinfort
23 Überhebliche Gelehrsamkeit.
24 Titel von Predigthilfen: „Schon alles sagende Predigten“, „Ruhe sicher“, „Fix und Fertig“, „Schatzkammer“. Seit
1522 hatte Luther eigene Predigtsammlungen (Postillen) veröffentlicht.
25 Den Priestern und Mönchen täglich vorgeschriebene Stundengebete (Horen).
26 Grobe Menschen und Geizhälse.
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