Der Große Katechismus
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Das sei aber den einfachen Leuten gesagt, damit sie den Sinn dieses Gebots wohl
merken und behalten, daß man Gott allein trauen und sich lauter Gutes von ihm ver-
sprechen und es von ihm erwarten soll, als von dem, der uns gibt Leib, Leben, Essen,
Trinken, Nahrung, Gesundheit, Schutz, Frieden und alles Nötige an zeitlichen und
ewigen Gütern, dazu vor Unglück bewahrt und, wenn uns etwas widerfährt, uns rettet
und heraushilft. Also daß Gott (wie genügend gesagt) alleine der ist, von dem man
alles Gute empfängt und bei dem man alles Unglück los wird. Daher auch, denke ich,
gebrauchen wir Deutschen von alters her (feiner und treffender als keine andere Spra-
che) den Namen Gott eben nach dem Wörtchen „gut“, weil er ein ewiger Brunnquell
ist, der von lauter Güte überfließt und von dem alles, was gut ist und so genannt wird,
herausfließt.
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Denn wenn uns sonst auch viel Gutes von Menschen widerfährt, so heißt es doch alles
von Gott empfangen, was man durch seinen Befehl und seine Ordnung empfängt. Denn
unsere Eltern und jede Obrigkeit, dazu jeder gegenüber seinem Nächsten, haben den
Auftrag, daß sie uns allerlei Gutes tun sollen, so daß wir es nicht von ihnen, sondern
durch sie von Gott empfangen. Denn die Geschöpfe sind nur die Hand, die Kanäle und
Mittel, wodurch Gott alles gibt, wie er der Mutter Brüste und Milch gibt, um es dem
Kind zu reichen, Korn und allerlei Gewächs aus der Erde als Nahrung, Güter, deren
keines ein Geschöpf selbst machen kann. Deswegen soll sich kein Mensch unterstehen,
etwas zu nehmen oder zu geben, es sei denn von Gott befohlen, daß man’s erkenne als
seine Gabe und ihm dafür danke, wie dieses Gebot es fordert. Darum sind auch solche
Mittel, durch die Kreaturen Gutes zu empfangen, nicht auszuschlagen noch vermessen
andere Weisen und Wege zu suchen als die, die Gott befohlen hat. Denn das hieße nicht,
etwas von Gott zu empfangen, sondern es bei sich selbst zu suchen.
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Darauf achte nun ein jeglicher bei sich selbst, daß man dieses Gebot vor allen Dingen
groß und hoch achte und nicht in den Wind schlage. Frage und erforsche dein eigenes
Herz gut, so wirst du wohl herausfinden, ob es allein an Gott hängt oder nicht. Hast
du ein solches Herz, das sich wegen alles Guten an ihn wendet, vor allem in Nöten
und Mangel, dazu alles gehen und fahren läßt, was nicht Gott ist, so hast du den ein-
zigen rechten Gott. Wenn es aber an etwas anderem hängt, wovon es mehr Gutes und
Hilfe erhofft als von Gott, und nicht zu ihm läuft, sondern vor ihm flieht, wenn es ihm
übel geht, so hast du einen anderen Gott.
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Deshalb, damit man sieht, daß Gott dies nicht in den Wind geschlagen haben will,
sondern ernstlich darüber wacht, hat er bei diesem Gebot zum ersten eine schreckli-
che Drohung, danach eine schöne, tröstliche Verheißung gesetzt, was man auch wohl
behandeln und den jungen Leuten eindringlich vorsprechen soll, damit sie es in den
Sinn nehmen und behalten.
„Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter
heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber
Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote hal-
ten“ (2. Mose 20, 5 f.).