Der Große Katechismus
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Darum ist nun der Sinn dieses Gebots, rechten Glauben und Zuversicht des Herzens
zu fordern, welche den rechten, einzigen Gott treffen und an ihm allein hängen soll.
Das bedeutet soviel wie: Siehe zu und laß mich allein dein Gott sein und suche ja
keinen andern. Das heißt, wo es dir fehlt an Gutem, da wende dich an mich und suche
es bei mir, und, wo du Unglück und Not leidest, krieche und halte dich zu mir.
Ich
,
ich will dir genug geben und aus aller Not helfen, laß nur dein Herz an keinem ande-
ren hängen oder ruhen.
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Das muß ich etwas kräftig herausstreichen, damit man’s verstehe und merke an ge-
wöhnlichen Beispielen vom Gegenteil. Es ist mancher, der meint, er habe Gott und
von allem genug, wenn er Geld und Gut hat. Er verläßt sich darauf und brüstet sich
damit so steif und sicher, daß er auf niemanden etwas gibt. Siehe, dieser hat auch
einen Gott, der heißt Mammon, das ist Geld und Gut, worauf er sein Herz setzt, wel-
ches auch der allergewöhnlichste Abgott ist auf Erden. Wer Geld und Gut hat, der
weiß sich sicher, ist fröhlich und unerschrocken, als sitze er mitten im Paradies, und
wiederum, wer keines hat, der zweifelt und verzagt, als wisse er von keinem Gott.
Denn man wird wenige finden, die guten Mutes sind, weder trauern noch klagen,
wenn sie den Mammon nicht haben; es klebt und hängt der Natur an bis in die Grube.
Also auch, wer darauf traut und trotzt, daß er große Gelehrsamkeit, Klugheit, Ge-
walt, Gunst, Freundschaft und Ehre hat, der hat auch einen Gott, aber nicht diesen
rechten, einzigen Gott. Das siehst du abermals daran, wie vermessen, sicher und stolz
man ist auf solche Güter und wie verzagt, wenn sie nicht vorhanden sind oder entzo-
gen werden. Darum sage ich abermals, daß die rechte Auslegung dieses Stückes die
ist, daß einen Gott haben heißt, etwas haben, worauf das Herz ganz vertraut.
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Dazu sieh auch, was wir bisher getrieben und getan haben in der Blindheit unter dem
Papsttum. Wenn jemandem ein Zahn weh tat, der fastet und feiert Sankt Apollonia
Fürchtet er sich vor Feuersnot, so macht er Sankt Loren
zum Nothelfer. Fürchtet er
sich vor der Pest, so gelobt er sich zu Sankt Sebastian oder Sankt Rochus
und was
der Greuel unzählig viele mehr sind, wenn ein jeder seinen Heiligen wählt, anbetet
und anruft in Nöten, damit er ihm hilft. Hierher gehören auch die, die es gar zu grob
treiben und mit dem Teufel einen Bund machen, daß er ihnen Geld genug gebe oder
zur Liebschaft verhelfe, ihr Vieh bewahre, verlorenes Gut wiederbeschaffe usw., wie
es die Zauberer und Schwarzkünstler tun. Denn diese alle setzen ihr Herz und Ver-
trauen auf anderes als auf den wahrhaftigen Gott, versprechen sich nichts Gutes von
ihm, suchen es auch nicht bei ihm.
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Also verstehst du nun leicht, was und wieviel dies Gebot fordert, nämlich das ganze
Herz des Menschen und alle Zuversicht auf Gott allein und niemand anders zu set-
zen. Denn „Gott zu haben“, das kannst du dir wohl denken, bedeutet weder, ihn mit
Fingern ergreifen und fassen, noch in den Geldbeutel stecken oder in einen Kasten
schließen zu können. Das aber heißt, ihn zu fassen, wenn ihn das Herz ergreift und an
41 Märtyrerin († 248/249); weil ihr die Zähne ausgeschlagen wurden, galt sie als Nothelferin gegen Zahnschmerzen.
42 Märtyrer (verbrannt 258).
43 Der Märtyrer Sebastian († etwa 288) soll die Pest in Rom abgewehrt haben; Rochus († 1327) pflegte Pestkranke.