Leuenberger Konkordie
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Wegen haben sie gelernt, das grundlegende Zeugnis der reformatorischen Bekennt-
nisse von ihren geschichtlich bedingten Denkformen zu unterscheiden. Weil die Be-
kenntnisse das Evangelium als das lebendige Wort Gottes in Jesus Christus bezeugen,
schließen sie den Weg zu dessen verbindlicher Weiterbezeugung nicht ab, sondern
eröffnen ihn und fordern auf, ihn in der Freiheit des Glaubens zu gehen.
II. Das gemeinsame Verständnis des Evangeliums
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Im folgenden beschreiben die beteiligten Kirchen ihr gemeinsames Verständnis des
Evangeliums, soweit es für die Begründung einer Kirchengemeinschaft erforderlich
ist.
1. Die Rechtfertigungsbotschaft als die Botschaft von der freien Gnade Gotte
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Das Evangelium ist die Botschaft von Jesus Christus, dem Heil der Welt, in Erfüllung
der an das Volk des Alten Bundes ergangenen Verheißung.
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a) Sein rechtes Verständnis haben die reformatorischen Väter in der Lehre von der
Rechtfertigung zum Ausdruck gebracht.
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b) In dieser Botschaft wird Jesus Christus bezeugt
als der Menschgewordene, in dem Gott sich mit dem Menschen verbunden hat;
als der Gekreuzigte und Auferstandene, der das Gericht Gottes auf sich genommen
und darin die Liebe Gottes zum Sünder erwiesen hat; und
als der Kommende, der als Richter und Retter die Welt zur Vollendung führt.
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c) Gott ruft durch sein Wort im Heiligen Geist alle Menschen zu Umkehr und Glau-
ben und spricht dem Sünder, der glaubt, seine Gerechtigkeit in Jesus Christus zu. Wer
dem Evangelium vertraut, ist um Christi willen gerechtfertigt vor Gott und von der
Anklage des Gesetzes befreit. Er lebt in täglicher Umkehr und Erneuerung zusammen
mit der Gemeinde im Lobpreis Gottes und im Dienst am anderen in der Gewißheit,
daß Gott seine Herrschaft vollenden wird. So schafft Gott neues Leben und setzt in-
mitten der Welt den Anfang einer neuen Menschheit.
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d) Diese Botschaft macht die Christen frei zu verantwortlichem Dienst in der Welt
und bereit, in diesem Dienst auch zu leiden. Sie erkennen, daß Gottes fordernder und
gebender Wille die ganze Welt umfaßt. Sie treten ein für irdische Gerechtigkeit und
Frieden zwischen den einzelnen Menschen und unter den Völkern. Dies macht es
notwendig, daß sie mit anderen Menschen nach vernünftigen, sachgemäßen Kriterien
suchen und sich an ihrer Anwendung beteiligen. Sie tun dies im Vertrauen darauf, daß
Gott die Welt erhält, und in Verantwortung vor seinem Gericht.
6 Zitat aus der Barmer Theologischen Erklärung, These 6.