Die Bekenntnisschriften - page 535

Die Barmer Theologische Erklärung
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lektennachweisung, Steuereintreibung, Statistiken und äußere Ordnung des kirchli-
chen Lebens, sondern sie bestimmt gewisse inhaltliche Bedingungen, ohne deren
Erfüllung es nach ihrer Meinung weder geistliches Amt noch Presbyterium, noch
Kirchenvorstand, noch Stimme der Gesamtgemeinde in der Synode geben soll. So
wird aus dem anvertrauten und befohlenen Dienst eine selbstgewählte und usurpato-
risch an sich gerissene Herrschaft. Aus dem: „So soll es unter euch nicht sein“ wird
ein: „Noch schlimmer soll es unter euch sein.“
Auf Grund der neutestamentlichen Verkündigung erkennen wir also die Möglich-
keit und die Notwendigkeit verschiedener Ämter in der Kirche an. Wir wissen auf
Grund des Befundes im Neuen Testament, daß für die Art und Zahl der verschiede-
nen Ämter keine endgültige und überall einzuführende Ordnung besteht. Wir meinen,
daß in der christlichen Gemeinde eine bischöfliche und eine presbyteriale Verfassung
sein
kann
. Wir sind aber auch überzeugt, daß in der christlichen Gemeinde sowohl
unter der bischöflichen Verfassung als auch unter der presbyterialen Verfassung der
Teufel zur Herrschaft kommen kann. Keine der möglichen Verfassungen garantiert
christlichen Brauch und christliches Leben. Vielmehr sollen Verfassungen der Kirche
der Versuch sein, ein Zeichen aufzurichten, welches der Welt deutlich macht, was der
Herr sagt: „So soll es unter euch nicht sein.“ Präses und Bischof, Bischof und Präses,
Pastor und Diakon, Diakon und Pastor sind in umgekehrtem Verhältnis zu ihrem
Rang die untersten Diener der Gemeinde. Die entscheidenden Vorgänge aber vollzie-
hen sich außerhalb dieser Rangordnung überall da und dann, wo und wann Gott durch
sein Wort und sein Sakrament Menschen aus dem Tode zum Leben, aus dem Reich
der Finsternis in das Reich des lieben Sohnes Gottes durch seine machtvolle Hand
versetzt.
Damit ist bereits ausgelegt, was wir mit dem zweiten Absatz meinen, der so lautet:
„Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und dürfe sich die Kirche abseits von
diesem Dienst besondere, mit Herrschaftsbefugnissen ausgestattete Führer geben
oder geben lassen.“
5.
Aus dem Gesagten ergibt sich, wird aber auch jeder ehrlich denkende Mensch sehen,
wie wir zu Staat und Volk stehen. Damit wir aber den Lügnern das Maul stopfen,
lassen wir noch einmal die Stimme der Heiligen Schrift laut werden, welche spricht:
„Fürchtet Gott, ehret den König!“ (1. Petr 2, 17).
Dazu ist nur zu bemerken: Wenn wir auch aus keiner anderen Erwägung heraus uns
mit ganzem Ernst bemühten, gute Staatsbürger zu sein, so soll doch alle Welt wissen,
daß uns dieses
eine
Wort der Schrift fester bindet und hält, als tausend Eide und irdi-
sche Bindungen uns halten könnten. Oft genug haben wir zum Ausdruck gebracht,
daß man nur im Unrecht gegen Zeit und Ewigkeit uns als Rebellen verdächtigt, of-
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