Die Bekenntnisschriften - page 538

Die Barmer Theologische Erklärung
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Schrift in der Gemäßheit des Bekenntnisses dieser Kirche ist, so meinen wir damit
nicht, daß dem Verkündiger neben anderen Staatsbürgern ein Sonderrecht zukäme.
Alle diese Anliegen sind nichts als der Ausdruck unseres Glaubens, daß in der Ge-
meinschaft von Brüdern, von der wir oben gesprochen haben, die man Kirche heißt,
Christus nicht nur als Idee, sondern als der lebendige Herr, nicht nur in uner-
reichbarer Ferne, sondern mitten unter uns lebt, wirkt und regiert, wie die Schrift
spricht: „Das Wort Gottes ist dir nahe, in deinem Munde und in deinem Herzen.
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Und eine andere Schrift spricht: „Sie werden alle von Gott gelehrt sein.
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Es ist
dringliche Aufgabe der Kirche, durch sichtbare Zeichen zum Ausdruck zu bringen,
daß die Belehrung durch den Heiligen Geist und daß die Gegenwart Christi nicht
erstrebenswerte Ideale der Kirche, sondern geschenkte
Ausgangspunkte
ihres Han-
delns sind in Wort und Werk.
So und so allein ist es zu verstehen, wenn wir die falsche Lehre verwerfen, als könne
„die Kirche in menschlicher Selbstherrlichkeit das Wort und Werk des Herrn in den
Dienst irgendwelcher eigenmächtig gewählter Wünsche, Zwecke und Pläne stellen“.
Wenn wir im Laufe des letzten Jahres und jetzt erneut immer wieder zum Ausdruck
gebracht haben, daß die Verkündigung der Kirche nicht der menschlichen Selbst-
herrlichkeit zum Dienst bereitgestellt werden dürfte und nicht menschlich gewählten
Wünschen, Zwecken und Plänen unterstellt werden kann, so sagen wir nicht, daß
diese Wünsche, Zwecke und Pläne nicht innerhalb der menschlichen Einsicht und des
menschlichen Vermögens gut und wünschenswert seien; aber wir sind dessen einge-
denk, daß dieses Urteil, sie seien gut und wünschenswert, menschliches Urteil ist. Wir
überlassen es aber Gott, am Jüngsten Tag darüber zu entscheiden, ob diese Pläne und
Wünsche auch göttlich erstrebenswert sind. Aus diesem Grunde können wir es nicht
dulden, daß die Verkündigung in ihren Dienst gestellt wird, weil das soviel bedeuten
würde, wie wenn die Gegenwart Christi und die Ungebundenheit des Wortes durch
den Heiligen Geist in diesen menschlichen Plänen und Wünschen ebenso wirksam
wäre wie in dem in der Gemeinde gepredigten Wort und dem in der Gemeinde ge-
spendeten Sakrament.
Zusammenfassend beurteilt die Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kir-
che diese sechs Punkte wie folgt.
„Die Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche erklärt, daß sie in der
Anerkennung dieser Wahrheiten und in der Verwerfung dieser Irrtümer die unum-
gängliche theologische Grundlage der Deutschen Evangelischen Kirche als eines
Bundes der Bekenntniskirchen sieht. Sie fordert alle, die sich ihrer Erklärung an-
schließen können, auf, bei ihren kirchenpolitischen Entscheidungen dieser theologi-
11 5. Mose 30, 14; Röm 10, 8.
12 Joh 6, 45 (nach Jes 54, 13).
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