Das Augsburger Bekenntnis
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Wort Gottes und durch die Sakramente. Wenn wir das Evangelium hören oder bedenken oder die
Sakramente handhaben und uns durch den Glauben trösten, so ist zugleich der Heilige Geist
wirksam, gemäß jenem Wort des Paulus an die Galater (3, 22), „damit die Zusage aus Glauben
an Jesus Christus den Glaubenden gegeben werde“. Und an die Korinther (2. Kor 3, 8): „Das
Evangelium ist das Amt des Geistes.“ Und an die Römer (10, 17): „Der Glaube kommt aus dem
Hören.“ Wenn wir uns also durch den Glauben trösten und befreit werden von den Schrecken
der Sünde durch den Heiligen Geist, dann empfangen die Herzen die übrigen Tugenden,
erkennen wirklich Gottes Barmherzigkeit, empfangen wahre Liebe, wahre Furcht Gottes,
Zuversicht, Hoffnung auf göttliche Hilfe, Anrufung Gottes und ähnliche Früchte des Geistes.
Verdammt werden diejenigen, die nichts von diesem Glauben lehren, durch den die Sünden-
vergebung empfangen wird, sondern die Gewissen zweifeln lassen, ob sie die Vergebung
empfangen. Und sie fügen noch hinzu, dieser Zweifel sei keine Sünde. Ferner lehren sie, die
Menschen würden Sündenvergebung ihrer eigenen Würdigkeit wegen empfangen; sie lehren
nicht, man müsse glauben, daß die Sündenvergebung umsonst um Christi willen geschenkt wird.
Verdammt werden auch die fanatischen Geister, die sich einbilden, der Heilige Geist werde
gegeben oder sei wirksam ohne das Wort Gottes. Und aus diesem Grund verachten sie das Amt
des Evangeliums und der Sakramente und suchen Erleuchtungen ohne Gottes Wort und
außerhalb des Evangeliums. So aber führen sie die Geister weg vom Wort Gottes und hin zu
ihren eigenen Meinungen. Das ist überaus verderblich. Solche [CR 355] waren einst die
Manichäe
, die Enthusiasten, und heute sind es die Wiedertäufer. Begeisterungen dieser Art
verdammen wir entschieden. Sie vernichten nämlich den wahren Gebrauch des Wortes Gottes
und träumen fälschlich, der Heilige Geist werde ohne Gottes Wort empfangen; und indem sie auf
ihre eigenen Worte bauen, ersinnen sie gottlose Lehren und bewirken Zersplitterung ohne Ende.
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6. Vom neuen Gehorsam
Ebenso lehren sie, daß jener Glaube gute Früchte hervorbringen muß und daß es not-
wendig ist, von Gott gebotene gute Werke zu tun, weil Gott sie will, ohne darauf zu
setzen, durch diese Werke werde vor Gott die Rechtfertigung verdient. Denn die Ver-
gebung der Sünden und Rechtfertigung wird durch den Glauben ergriffen, wie auch
das Wort Christi bezeugt: „Wenn ihr dies alles getan habt, so sprecht: Wir sind unnüt-
ze Knechte“ (Lk 17, 10). Dasselbe lehren auch die alten kirchlichen Schriftsteller.
Denn Ambrosius sagt: „Das ist von Gott bestimmt, daß, wer an Christus glaubt, ohne
ein Werk selig wird, allein durch den Glauben, indem er die Sündenvergebung ge-
schenkweise empfängt.“
Av
[Neufassung des Artikels:]
VI.
Weiter lehren sie, daß, wenn wir durch den Glauben versöhnt werden, notwendig sich
anschließen muß die Gerechtigkeit guter Werke, die Gott uns befohlen hat, wie auch Christus
geboten hat: „Wenn du zum Leben eingehen willst, so halte die Gebote“ (Mt 19, 17). Aber weil
die Schwachheit der menschlichen Natur so groß ist, daß niemand dem Gesetz genugtun kann,
muß man die Menschen nicht nur lehren, daß dem Gesetz zu gehorchen ist, sondern auch, auf
welche Weise dieser Gehorsam [Gott] gefällt, damit nicht die Gewissen in Verzweiflung fallen,
29 Anhänger des Persers Mani († 277) mit schroff dualistischer Anschauung von der Seele als in die Finsternis der
Materie gebanntem Teil der göttlichen Lichtwelt.
30 Vgl. oben Anm. 23.