Die Bekenntnisschriften - page 21

Das Augsburger Bekenntnis
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[Neufassung des Artikels:]
[CR 360]
XV.
Von den kirchlichen Gebräuchen, die auf menschliche Autorität gegründet sind, lehren sie, daß
man diejenigen Bräuche beibehalten soll, die ohne Sünde beachtet werden können und zum
Frieden und zur guten Ordnung in der Kirche beitragen, wie bestimmte Feiertage, bestimmte
fromme Gesänge und andere ähnliche Bräuche.
Über diese Art [von Bräuchen] aber lehren sie, man dürfe die Gewissen nicht durch abergläu-
bische Meinungen belasten, das heißt, nicht die Ansicht vertreten, jene menschlichen Anord-
nungen würden als Gerechtigkeit vor Gott gelten oder die Sündenvergebung verdienen, oder es
handele sich um Kulte, die für die Gerechtigkeit des Evangeliums nötig sind. Vielmehr muß gel-
ten, daß es Mittelding
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sind, die man unterlassen kann, wenn dies ohne Ärgernis geschieht. Je-
doch sündigen diejenigen, die sie Ärgernis erregend verletzen, indem sie grundlos den Frieden
in ihren Gemeinden stören.
Daher werden solche Traditionen verworfen, die ohne Sünde nicht beachtet werden können,
wie die Tradition des Zölibats. Verworfen wird auch die gottlose Meinung von den Traditionen
und Gelübden [der Mönche], bei der man vorgibt, daß mit menschlicher Autorität erdachte
Kulte Sündenvergebung verdienen, daß sie Genugtuungsleistungen für Sünden sind usw. Solche
falschen Überzeugungen von den Klostergelübden, bestimmten Fasten usw. sind von ungelehrten
Leuten in der Kirche verbreitet worden.
16. Von den weltlichen Angelegenheiten
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Von den weltlichen Angelegenheiten lehren sie, daß rechtmäßige weltliche Ordnun-
gen gute Werke
a
Gottes sind
b
,
50
daß es Christen erlaubt ist, Regierungsämter auszu-
üben, Recht zu sprechen, Urteile zu fällen aufgrund von kaiserlichen und anderen
gegenwärtig geltenden Gesetzen, dem Recht entsprechend Strafen zu verhängen
,
51
dem Recht entsprechend Kriege zu führen und daran teilzunehmen
,
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nach dem Ge-
setz Geschäfte zu tätigen, Eigentum zu besitzen, auf Verlangen der Regierungen Eide
zu leisten,
c
zu heiraten und im Ehestand zu leben.
cc
[71] Sie verdammen die Wiedertäufer, die den Christen diese weltlichen Verpflich-
tungen verbieten.
Sie verdammen auch diejenigen, die die evangelische Vollkommenheit
d
nicht in der
Furcht des Herrn und im Glauben suchen, sondern darin, sich den weltlichen Ver-
pflichtungen zu entziehen. Das Evangelium nämlich bringt
dd
die ewige Gerechtigkeit
des Herzens.
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Dabei zerstört es nicht die Politik und die Ökonomie, sondern fordert
entschieden, sie als Ordnungen Gottes zu achten und in solchen Ordnungen die Liebe
48 Der Text hat hier den aus dem Griechischen entlehnten, von den Reformatoren künftig oft benutzten Ausdruck
„Adiaphora“ (= Handlungen, die als solche ethisch neutral, weder gut noch böse sind).
49 In der Überschrift (De rebus civilibus) kann statt „weltlich“ auch „bürgerlich“ oder „staatlich“ übersetzt werden.
Deutsche Überschrift: „Von der Polizei [= Staatsordnung] und weltlichem Regiment“.
50 Deutscher Text: „… daß alle Obrigkeit [= Regierungsgewalt] in der Welt und geordnete Regimente [= Rechts-
ordnungen] und Gesetze gute Ordnung [sind], von Gott geschaffen und eingesetzt…“
51 Deutscher Text: „Übeltäter mit dem Schwert strafen“ (= die Todesstrafe verhängen).
52 Deutscher Text: „… rechte Kriege führen, streiten“.
53 Deutscher Text: „Denn das Evangelium lehrt nicht ein äußerliches, zeitliches, sondern innerliches, ewiges Wesen
und [eine] Gerechtigkeit des Herzens.“
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