Die Bekenntnisschriften - page 296

Abhandlung über die Amtsgewalt des Papstes und der Bischöfe
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9. Hieronymus sagt: „Wenn Autorität gefragt ist, so gilt der Erdkreis mehr als die
Stad
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. Wo immer ein Bischof ist, sei es in Rom oder Gubbio oder Konstantinopel
oder Reggio oder Alexandria: Würde und Priesteramt sind gleich. Was einen
höher oder niedriger macht, sind der Einfluß des Reichtums und die Beschei-
denheit der Armut.“
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[477] 10. In einem Brief an den Patriarchen [Eulogius] von Alexandria lehnt es Gre-
go
r
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ab, Universalbischof genannt zu werden. Und in den „Regesten“ sagt er, im
Konzil von Chalcedon sei dem römischen Bischof der Primat angeboten worden,
aber er habe ihn nicht angenommen
.
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11. Schließlich, wie kann der Papst nach göttlichem Recht über der ganzen Kirche
stehen, wo doch die Wahl bei der Kirche liegt und mit der Zeit sogar die Ge-
wohnheit entstanden ist, daß die römischen Bischöfe von den Kaisern bestätigt
wurden? Ferner, nachdem lange zwischen den Bischöfen von Rom und von
Konstantinopel über den Vorrang gestritten worden war, entschied am Ende der
Kaiser Phoka
s
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, daß der Vorrang dem römischen Bischof zukomme. Wenn die
Alte Kirche den Primat des römischen Bischofs anerkannt hätte, hätte dieser Streit
nicht entstehen können und die Entscheidung des Kaisers wäre nicht nötig
gewesen.
[Widerlegung von Einwänden]
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Aber dagegen werden einige Sprüche angeführt, nämlich: „Du bist Petrus, und auf
diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.“ Ferner: [478] „Dir will ich die Schlüssel
geben“ (Mt 16, 18 f.). Ferner: „Weide meine Schafe“ (Joh 21, 17), und einige andere.
Weil aber diese ganze Streitfrage anderswo in den Büchern der Unsrigen ausführlich
und genau behandelt wurde und an dieser Stelle nicht alles erörtert werden kann,
beziehen wir uns auf diese Schriften, die hiermit bekräftigt werden. Gleichwohl wer-
den wir kurz antworten, wie die zitierten Sprüche zu verstehen sind. In allen diesen
Sprüchen erscheint Petrus als Repräsentant sämtlicher Apostel, wie aus dem Text er-
sichtlich ist. Denn Christus fragt nicht allein den Petrus, sondern er spricht: „Was sagt
ihr, wer ich sei?“ Und was hier im Singular gesagt wird: „Dir werde ich die Schlüssel
geben“, „Was du binden wirst“, das wird an anderen Stellen im Plural gesagt: „Was
ihr binden werdet“ (Mt 18, 18) usw. Und im Johannesevangelium (20, 23): „Welchen
ihr die Sünden vergebet“ usw. Diese Worte bezeugen, daß die Schlüssel allen
Aposteln in gleicher Weise gegeben wurden und alle Apostel in gleicher Weise
entsandt worden sind. Außerdem muß man zugeben, daß die Schlüssel nicht zur
Person eines bestimmten Menschen, sondern zur Kirche gehören, wie viele eindeutige
und sichere Gründe bezeugen. Denn als Christus Mt 18 über die Schlüssel sprach,
fügte er hinzu: „Wo immer zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen“ (Mt
3 „Stadt“ (urbs) = Rom.
4 Hieronymus († 420), Brief 146, an Euangelus.
5 Papst Gregor I. der Große (590–604), Brief 30, an Eulogius.
6 Brief 43, an Eulogius und Anastasius.
7 Kaiser Phokas (602–610).
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