Abhandlung über die Amtsgewalt des Papstes und der Bischöfe
343
Über die Amtsgewalt
des Papstes und der Bischöfe
1
[471] Der römische Bischof maßt sich an, aus göttlichem Recht über allen Bischöfen
und Pfarrern zu stehen. Sodann behauptet er auch, daß er aus göttlichem Recht beide
Schwerter führe, d. h. die Vollmacht habe, Königreiche zu verleihen und zu
übertragen. Drittens sagt er, dies zu glauben sei heilsnotwendig. Und deshalb nennt
sich der römische Bischof Stellvertreter Christi auf Erden. Daß diese drei Sätze
falsch, gottlos, tyrannisch und der Kirche ganz schädlich sind, wissen und bekennen
wir.
[1. Zum göttlichen Recht]
Damit aber diese unsere Feststellung verstanden wird, wollen wir erstens erklären,
was gemeint ist mit: aus göttlichem Recht über allen Bischöfen stehen. [472] Sie
meinen damit, daß der Papst Universalbischof und, wie sie es nennen, ökumenischer
Bischof sei, das heißt: bei ihm, der allein das Recht habe, alle Bischöfe zu wählen, zu
ordinieren, zu bestätigen und abzusetzen, müssen alle Bischöfe und Pfarrer in der
ganzen Welt um die Ordination und Bestätigung nachsuchen. Außerdem maßt er sich
auch die Amtsgewalt an, Gesetze über Gottesdienst, über Änderung der Sakramente
und über die Lehre zu erlassen, und er will, daß man seine Sätze, Dekrete und Gesetze
für Glaubenssätze und Gebote Gottes, die die Gewissen binden, halten solle, denn er
legt sich eine Amtsgewalt nach göttlichem Recht bei, ja er will sogar, daß man seine
Gesetze den Geboten Gottes vorziehen soll. Und noch schlimmer ist, daß er
hinzufügt, es sei heilsnotwendig, dies alles zu glauben.
[Argumente aus dem Neuen Testament]
2
Darum wollen wir zuerst aus dem Evangelium nachweisen, daß der römische Bischof
nicht nach göttlichem Recht über den anderen Bischöfen und Pfarrern steht.
1. Lk 22 (v. 24–27) verbietet Christus ausdrücklich eine Vorherrschaft unter den Apo-
steln. Denn genau dies war die Streitfrage: Als Christus von seinem Leiden gere-
det hatte, disputierten sie, wer an der Spitze stehen und sozusagen der Stell-
vertreter des abwesenden Christus sein solle. Da tadelt Christus diesen Irrtum der
Apostel und lehrt, es werde keine Herrschaft und keinen Vorrang unter ihnen
geben, sondern die Apostel sollten [473] als Gleiche zum gemeinsamen Dienst am
Evangelium ausgesandt werden. Deshalb sagt er: „Die Könige der Heiden
herrschen über ihre Völker. Nicht so ihr! Sondern wer der Größere unter euch