Abhandlung über die Amtsgewalt des Papstes und der Bischöfe
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sein will, soll euer Diener sein.“ Hier zeigt der Gegensatz, daß eine Herrschaft
abgelehnt wird. Dasselbe lehrt das Gleichnis, wenn Christus bei dem gleichen
Disput über das Reich Gottes ein Kind in die Mitte stellt (Mt 18, 1–4), um zu
zeigen, daß es keinen Vorrang unter den Dienern am Wort geben soll, so wie ein
Kind sich keinen Vorrang herausnimmt oder begehrt.
2. Joh 20 (v. 21) entsendet Christus die Apostel in gleicher Weise, ohne Rangunter-
schied, indem er sagt: „Wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Er
sagt, auf dieselbe Weise, wie er gesandt worden sei, sende er jeden einzelnen;
daher erteilt er keinem einen Vorrang oder eine Herrschaft über die anderen.
3. Gal 2 (v. 2) versichert Paulus ausdrücklich, er sei von Petrus weder eingesetzt noch
bestätigt worden, und anerkennt Petrus nicht als einen, von dem die Bestätigung
einzuholen wäre. Und namentlich kämpft er darum, daß seine Berufung nicht von
der Autorität des Petrus abhänge. Er hätte ihn aber als Oberen anerkennen
müssen, wenn Petrus kraft göttlichen Rechts der Obere gewesen wäre. Darum sagt
Paulus, er habe, ohne Petrus zu fragen, sofort nach seiner Bekehrung das
Evangelium gepredigt. Ferner: „Es ist mir gleichgültig, welcher Art die gewesen
sein sollen, die etwas zu sein scheinen. Denn Gott achtet das Ansehen des
Menschen nicht.“ Ferner: „Die das Ansehen hatten, etwas zu sein, haben mir
keine Befehle erteilt“ (Gal 2, 6). Wenn also Paulus klar bezeugt, er habe nicht die
geringste Absicht gehabt, [474] um Bestätigung durch Petrus nachzusuchen, auch
als er zu ihm gekommen sei, so lehrt er damit, daß die Vollmacht zum Predigtamt
vom Wort Gottes abhänge und Petrus nicht Vorgesetzter der übrigen Apostel
gewesen und die Einsetzung oder Bestätigung nicht nur bei Petrus einzuholen sei.
4. 1. Kor 3 (v. 4–8) stellt Paulus alle Diener des Wortes Gottes gleich und lehrt, daß
die Gemeinde über ihren Dienern stehe. Daher wird dem Petrus kein Vorrang und
keine Herrschaft über die Gemeinde oder die anderen Diener zugestanden. Er sagt
nämlich so: „Alles ist euer, es sei Paulus oder Apollo oder Kephas“ (1. Kor 3, 22).
Dies bedeutet: Weder ein anderer Diener noch Petrus darf sich die Herrschaft oder
einen Vorrang über die Gemeinde herausnehmen. Sie sollen die Gemeinde nicht
mit Traditionen belasten. Niemandes Ansehen soll mehr gelten als das Wort Got-
tes. Die Autorität des Kephas darf nicht gegen die Autorität der anderen Apostel
ins Feld geführt werden, wie zu jener Zeit argumentiert wurde: Kephas, der doch
der höhere Apostel ist, hält dies so, deshalb müssen Paulus und andere es auch so
halten. Diese Auszeichnung nimmt Paulus dem Petrus weg und bestreitet, daß
seine Autorität größer sein sollte als die der anderen Apostel oder der Gemeinde.
1. Petr 5 (v. 3): „Nicht als Herren in der Gemeinde.“
[Argumente] aus der Geschichte
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5. Das Konzil von Nizäa hat angeordnet, daß der Bischof von Alexandria die Ge-
meinden im Orient betreuen soll und der Bischof von Rom die „suburbanen“, das
sind die in den römischen Provinzen im Abendland gelegenen.
Hierdurch [475]
1 Konzil von Nizäa (325), Kanon 6.