Der Große Katechismus
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Auf diese Weise hast du die Bedeutung des ganzen Gebotes erklärt. Und wenn man es
so versteht, hat man die Frage leicht aufgelöst, mit welcher sich viele Lehrer gequält
haben, warum es im Evangelium verboten ist zu schwören, wo doch Christus, Sankt
Paulus (Gal 1, 20; 2. Kor 1, 23) und andere Heilige oft geschworen haben. Kurzgefaßt
handelt es sich um folgende Einsicht: Schwören soll man nicht für etwas Böses, das
heißt um zu lügen, oder wo es weder nötig noch nützlich ist; aber man soll um des
Guten willen und für des Nächsten Besserung schwören. Denn es ist ein rechtes gutes
Werk, wodurch Gott gepriesen, Wahrheit und Recht bestätigt, die Lügen zurückge-
schlagen, die Leute zum Frieden gebracht werden, Gehorsam geleistet und Hader
vertrieben wird. Denn Gott legt sich dort selbst ins Mittel und scheidet Recht und
Unrecht, böse und gut voneinander. Schwöret ein Teil falsch, so hat er sein Urteil und
wird der Strafe nicht entkommen, und, auch wenn es eine Weile ausbleibt, soll ihnen
doch nichts gelingen, so daß alles, was sie damit gewinnen, ihnen unter den Händen
zerrinnt und nimmer fröhlich genossen werden kann, wie ich es auch an vielen erfah-
ren habe, die ihr eheliches Gelübde eidlich abgeleugnet haben, so daß sie danach kei-
ne gute Stunde oder gesunden Tag gehabt haben und so beide an Leib, Seele und Gut
jämmerlich verkommen sind.
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Deshalb sage und mahne ich wie zuvor, daß man die Kinder beizeiten daran gewöhne
mit Warnen und Schrecken, Abwehren und Strafen, damit sie sich vor dem Lügen
scheuen und besonders davor, Gottes Namen dazu in Anspruch zu nehmen. Denn
wenn man sie so gehen läßt, wird nichts Gutes daraus, wie wir es jetzt vor Augen
haben, daß die Welt böser ist, als sie je gewesen. Und es gibt weder Herrschaft noch
Gehorsam, Treue oder Glaube, sondern nur freche, ungebändigte Leute, denen weder
Lehren noch Strafen helfen. Dies alles ist Gottes Zorn und Strafe über solche mut-
willige Verachtung dieses Gebotes. Andererseits soll man sie aber antreiben und an-
reizen, Gottes Namen zu ehren und stets im Munde zu führen in allem, was ihnen
begegnet und vor Augen kommen mag. Denn so ehrt man den Namen richtig, daß
man allen Trost bei ihm sucht und ihn darum anruft, so daß zuerst das Herz (wie oben
gehört) durch den Glauben Gott seine Ehre gebe, danach der Mund durch das Be-
kenntnis.
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Dieses ist auch eine heilsame, nützliche Gewohnheit und wirkt kräftig gegen den
Teufel, der immer um uns ist und darauf lauert, wie er uns in Sünde und Schande,
Jammer und Not bringen kann, der es aber ungern hört und nicht lang bleiben kann,
wo man Gottes Namen von Herzen nennt und anruft. Und würde uns [auch] manch
schreckliches und gräßliches Unglück begegnen, wo uns Gott nicht durch Anrufen
seines Namens bewahrte. Ich habe es selbst versucht und wohl erfahren, daß oft plötz-
liches großes Unheil sich in solchem Rufen sogleich gewendet hat und vorüber-
gegangen ist. Dem Teufel zum Schaden (sage ich) sollten wir den heiligen Namen
immerdar im Munde führen, damit er nicht schaden kann, wie er es gern möchte.
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Dazu dient auch, daß man sich daran gewöhnt, sich täglich Gott anzubefehlen mit
Seele und Leib, Frau, Kind, Dienstleuten und was wir haben in aller jeweiligen Not.