Der Große Katechismus
56
Werken enthalten und ruhen sollten, damit sich beide, Mensch und Vieh, wieder erho-
len und nicht von ständiger Arbeit geschwächt werden. Allerdings haben sie es nach-
her allzusehr eingeschränkt und grob mißbraucht, so daß sie auch Christus gelä-
stert haben und solche Werke nicht leiden konnten, die sie doch selbst am Sabbat
taten, wie man im Evangelium liest; gerade als sollte das Gebot damit erfüllt sein, daß
man gar kein Werk äußerlich täte, welches doch nicht die Absicht war, sondern recht
verstanden die, daß sie den Feier- oder Ruhetag heiligen sollten, wie wir hören wer-
den.
50
Darum geht nun dieses Gebot der einfachen Bedeutung nach uns Christen nichts an;
denn es ist, wie andere Satzungen des Alten Testaments eine ganz äußerliche Sache,
an bestimmte Weise, Person, Zeit und Stätte gebunden, was nun durch Christus alles
der Freiheit übergeben ist. Aber um ein christliches Verständnis zu bekommen für die
einfachen Leute, was Gott in diesem Gebot von uns fordert, so merke dir, daß wir
Feiertage halten nicht um der verständigen und gelehrten Christen willen, denn diese
brauchen sie zu nichts, sondern zuerst auch um des Körpers und seiner Bedürfnisse
willen, welche die Natur lehrt und fordert für das einfache Volk, für Knechte und
Mägde, die die ganze Woche ihrer Arbeit und ihrem Gewerbe nachgegangen sind,
damit sie sich auch einen Tag zurückziehen, um auszuruhen und sich zu erholen.
Außerdem vor allem darum, daß man an solchem Ruhetage (weil man sonst nicht
dazu kommen kann) sich Raum und Zeit nehme, am Gottesdienst teilzunehmen, in
der Weise, daß man zusammenkommt, um Gottes Wort zu hören und zu bedenken,
danach Gott zu loben, ihm zu singen und zu ihm zu beten.
51
Solches aber (sage ich) ist nicht in der Weise an eine Zeit gebunden wie bei den Ju-
den, so daß es dieser oder jener Tag sein muß, denn es ist kein Tag besser als der an-
dere, sondern es sollte wohl täglich so geschehen. Aber weil das einfache Volk es
nicht einhalten kann, muß man wenigstens einen Tag in der Woche dazu aussondern.
Weil aber von alters her der Sonntag dazu bestimmt ist, soll man’s auch dabei bleiben
lassen, damit es in Ordnung und Eintracht seinen Gang geht und niemand durch un-
nötige Neuerung eine Unordnung macht. Also ist der einfache Sinn dieses Gebots,
weil man ohnehin den Feiertag hält, daß man diese Feier dazu verwenden soll, Gottes
Wort zu lernen, so daß das eigentliche Amt dieses Tages das Predigtamt sein soll um
des jungen Volks und der einfachen Leute willen, aber das Feiern nicht so eng ver-
standen werden soll, daß deshalb andere zufällige Arbeit, die man nicht umgehen
kann, verboten wäre.
52
Deshalb, wenn jemand fragt, was es bedeute: „Du sollst den Feiertag heiligen“, so
antworte: „Den Feiertag heiligen heißt soviel wie heilig halten.“ Was heißt denn „hei-
lig halten“? Nichts anderes als heilige Worte, Werke und [ein heiliges] Leben zu füh-
ren. Denn der Tag bedarf für sich selbst keiner Heiligung, denn er ist selbst heilig
geschaffen. Gott will aber haben, daß er dir heilig sei. Also wird er deinetwegen hei-
lig oder unheilig, wenn du heilige oder unheilige Dinge an ihm tust. Wie gehet nun
solches Heiligen vor sich? Nicht so, daß man hinter dem Ofen sitzt und keine große