Die Bekenntnisschriften - page 352

Der Große Katechismus
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lichem Herzen vor seinen Augen sprechen: „Nun weiß ich, daß dir dies Werk wohl
gefällt.“ Wo wollen sie, die armen, elenden Leute, bleiben, wenn sie vor Gott und
aller Welt schamrot mit allen Schanden vor einem kleinen Kind stehen werden, das in
diesem Gebot gelebt hat, und bekennen, daß sie mit all ihrem Leben nicht wert gewe-
sen sind, ihm das Wasser zu reichen? Das geschieht ihnen auch recht, um der teufli-
schen Verführung willen, weil sie Gottes Gebot mit Füßen treten, so daß sie sich ver-
geblich mit selbsterdachten Werken martern müssen und dazu noch Spott und Scha-
den zum Lohn haben.
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Sollte nun nicht ein Herz springen und von Freuden überfließen, wenn es zur Arbeit
ginge und täte, was ihm befohlen wäre, so daß es sagen kann: „Siehe, das ist besser
als die Heiligkeit aller Kartäuser, wenn sie sich auch zu Tode fasten und unablässig
auf den Knien beten.“ Denn hier hast du einen sicheren Text und göttliches Zeugnis,
daß er dies geboten hat; von jenem aber sagt er kein Wort. Aber das ist der Jammer
und eine leidige Blindheit der Welt, daß solches niemand glaubt: So hat uns der Teu-
fel verzaubert mit falscher Heiligkeit und dem Schein eigener Werke. Deshalb wollte
ich gerne (sage ich abermals), daß man Augen und Ohren auftäte und sich solches zu
Herzen nähme, auf daß wir nicht dereinst wieder von dem reinen Gotteswort zu des
Teufels Lügentand verleitet würden. So würde es auch gelingen, daß die Eltern desto
mehr Freude, Liebe, Freundschaft und Eintracht in den Häusern hätten; so könnten
die Kinder die ganze Liebe der Eltern gewinnen. Andererseits, wo sie störrisch sind
und erst tun, was sie sollen, wenn man ihnen Prügel androht, so erzürnen sie Gott und
auch die Eltern, so daß sie sich selbst solchen Schatz und Freude des Gewissens ent-
wenden und lauter Unglück sammeln. Darum geht es auch jetzt in der Welt so, wie
jedermann klagt, daß sowohl junge wie alte wild und ungebärdig sind, weder Scheu
noch Ehre haben, nichts tun, außer unter Schlägen, und einer hinter dem Rücken des
anderen verleumdet und klein macht, wie sie nur können. Darum straft sie auch Gott,
daß sie in allen Schaden und Jammer kommen. So bringen die Eltern in der Regel
selbst nichts zustande. Ein Tor erzieht den anderen. Wie sie gelebt haben, so leben die
Kinder ihnen nach.
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Das soll nun (sage ich) das erste und größte sein, das uns zu diesem Gebot treiben
soll. Deshalb sollten wir uns sogar, wenn wir keinen Vater und Mutter hätten, wün-
schen, daß Gott wenigstens Holz und Stein vor uns stellt, um sie Vater und Mutter zu
nennen. Um wieviel mehr sollen wir froh werden, da er uns lebendige Eltern gegeben
hat, ihnen Ehre und Gehorsam erzeigen zu können? Denn wir wissen, daß es der ho-
hen Majestät und allen Engeln so gut gefällt und alle Teufel verdrießt, außerdem das
höchste Werk ist, das man tun kann gleich nach dem hohen Gottesdienst, wie er in
den vorigen drei Geboten erfaßt ist, so daß Almosengeben und andere Werke gegen-
über dem Nächsten diesem noch nicht gleich sind. Denn Gott hat diesen Stand oben-
an gesetzt, ja an seiner Statt auf Erden gestellt. Solcher Wille Gottes und sein Wohl-
gefallen sollte uns Ursache und Anreiz genug sein, um mit Willen und Lust zu tun,
was wir können.
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