Der Große Katechismus
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und Frauen bekommen, auf diese Weise ein fröhliches Gewissen haben und wissen,
wie sie rechte, goldene Werke tun können, die bisher in Vergessenheit geraten und
verachtet waren, an deren Statt jedermann in Teufels Namen in Klöster, zu Wallfahr-
ten und zum Ablaß gelaufen ist mit Schaden und bösem Gewissen.
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Wenn man nun solches dem armen Volk einprägen könnte, so würde eine Dienst-
magd vor Freude springen, Gott loben und danken und durch ordentliche Arbeit, wo-
für sie sonst Nahrung und Lohn empfängt, solchen Schatz bekommen, den alle die,
die man als Heilige ansieht, nicht haben. Ist es nicht ein ausgezeichneter Ruhm, das
zu wissen und sagen zu können: „Wenn du deine tägliche Hausarbeit tust, ist das bes-
ser als die Heiligkeit aller Mönche und ihr strenges Leben“? Und du hast dazu die
Zusage, daß es dir zu allem Guten ausschlagen und gut gehen soll. Wie willst du seli-
ger sein oder heiliger leben, was die Werke betrifft? Denn vor Gott macht eigentlich
der Glaube heilig und dient allein ihm, die Werke aber den Leuten. Da hast du alles
Gute, Schutz und Schirm unter dem Herrn, ein fröhliches Gewissen und einen gnädi-
gen Gott dazu, der es dir hundertfach vergelten will, und bist sogar ein Junke
,
wenn du nur fromm und gehorsam bist. Wenn aber nicht, hast du erstens nur Zorn
und Ungnade von Gott zu erwarten, keinen Frieden im Herzen, danach alle Plage und
Unglück. Den, den solches nicht bewegt und fromm macht, den übergeben wir dem
Henker und dem „Streckebein
. Darum denke jeder, der sich belehren lassen will,
daß es Gott kein Scherz ist, und du sollst wissen, daß Gott mit dir redet und Gehor-
sam fordert. Gehorchst du ihm, so bist du das liebe Kind, verachtest du es aber, so
habe dann auch Schande, Jammer und Herzleid zum Lohn.
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Ebenso ist auch zu reden vom Gehorsam gegenüber weltlichen Obrigkeiten, welche
(wie gesagt) alle zum Vaterstand gehören und sich am allerweitesten erstrecken. Denn
hier ist nicht ein Vater für einzelne, sondern sovielmal Vater, soviel er Einwohner,
Bürger oder Untertanen hat. Denn Gott gibt und erhält uns durch sie wie durch unsere
Eltern, Nahrung, Haus und Hof, Schutz und Sicherheit. Darum, weil sie solchen Na-
men und Titel als ihren höchsten Ruhmestitel mit allen Ehren führen, sind wir es ih-
nen auch schuldig, daß wir sie ehren und hoch achten als den teuersten Schatz und
das köstlichste Kleinod auf Erden.
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Wer nun hier gehorsam, willig und dienstbar ist und gerne alles tut, was die
Ehrerbietung betrifft, der weiß, daß er Gott zu Gefallen ist, Freude und Glück als
Lohn bekommt. Will er es nicht mit Liebe tun, sondern es verachten und sich sperren
oder rumoren, so soll er andererseits wissen, daß er weder Gnade noch Segen hat.
Und wo er meint, damit einen Gulden zu erlaufen, wird er anderswo zehnmal mehr
dagegen verlieren oder an den Henker geraten, durch Krieg, Pest und Teuerung um-
kommen oder an seinen Kindern nichts Gutes erleben, wird vom Gesinde, den Nach-
barn oder Fremden und Tyrannen Schaden, Unrecht und Gewalt erleiden müssen.
Damit wird uns bezahlt und vergolten werden, was wir suchen und verdienen.
58 Junker: junc-herre, bezeichnet zunächst den Sohn aus adligem Geschlecht, den jungen Edelmann; später auch
das Gebaren als großer Herr hervorhebend, gebraucht wie „Herr“ mit ironischem Nebensinn.
59 S. o. Anm. 57.