Die Bekenntnisschriften - page 356

Der Große Katechismus
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Wenn wir uns nur einmal sagen ließen, daß solche Werke Gott so angenehm sind
und so reichliche Belohnung haben, würden wir in lauter überreichlichen Gütern sit-
zen und haben, was unser Herz begehrt. Weil man aber Gottes Wort und Gebot für so
verächtlich hält, als hätte es irgendein Schwätzer geredet, so laß auch sehen, ob du der
Mann bist, der ihm trotzen könnte? Wie schwer wird’s ihm wohl werden, es dir wie-
der zurückzuzahlen? Darum lebst du viel besser mit Gottes Huld, Friede und Glück
als mit Ungnade und Unglück. Warum, glaubst du, ist die Welt jetzt so voll Untreue,
Schande, Jammer und Mord, außer dadurch, daß jedermann sein eigener Herr sein
und niemanden über sich haben will, auf niemanden hören und alles tun will, wozu er
Lust hat? Darum straft Gott einen Spitzbuben mit dem andern
,
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so daß, wenn du
deinen Herrn betrügst oder verachtest, ein anderer kommt, der mit dir genauso
verfährt, daß du in deinem Haus unter Frau, Kind oder Gesinde zehnmal mehr erlei-
den mußt.
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Wir fühlen unser Unglück wohl, murren und klagen über Untreue, Gewalt und
Unrecht, wollen aber nicht sehen, daß wir selbst Spitzbuben sind, die Strafe redlich
verdient haben und nicht im geringsten davon besser werden. Wir wollen keine Gna-
de und kein Glück haben, darum haben wir billigerweise nur Unglück ohne jede
Barmherzigkeit. Es müssen noch irgendwo rechtschaffene Leute auf Erden sein, da
uns Gott noch soviel Gutes läßt. Unsertwegen dürften wir keinen Heller im Haus,
keinen Strohhalm auf dem Feld behalten. Das alles habe ich mit soviel Worten lehren
müssen: ob es sich doch einmal jemand zu Herzen nehmen wollte, damit wir die
Blindheit und den Jammer, in denen wir so tief gelegen haben, loswerden möchten,
Gottes Wort und Willen richtig erkennen und mit Ernst annehmen. Denn daraus wür-
den wir lernen, wie wir Freude, Glück und Heil zeitlich und ewig genug haben könn-
ten.
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Also haben wir dreierlei Väter in diesem Gebot vorgestellt: Väter des Blutes, des
Hauses und des Landes. Außerdem gibt es auch noch geistliche Väter, nicht wie im
Papsttum, die sich wohl so haben nennen lassen, aber kein väterliches Amt geführt
haben. Denn das allein nennt man geistliche Väter, die uns durch Gottes Wort regie-
ren und uns vorstehen, wie sich Sankt Paulus 1. Kor 4 (v. 15) als Vater rühmt, wenn
er spricht: „Ich habe euch gezeugt in Jesus Christus durch das Evangelium.“ Weil sie
nun Väter sind, gebührt ihnen auch die Ehre, sogar vor allen anderen, aber da ge-
schieht sie am wenigsten; denn die Welt kann nicht anders, als sie so zu ehren, daß
man sie aus dem Land jagt und ihnen nicht ein Stück Brot gönnt. Alles in allem: Sie
sind (wie Paulus sagt) „der Welt Kehricht und jedermanns Schabab
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“ (1. Kor 4, 13).
Doch ist es nötig, das auch dem Pöbel einzuprägen, daß die, die Christen heißen wol-
len, es vor Gott schuldig sind, ihre Seelsorger „zweifacher Ehre wert zu halten“
(1. Tim 5, 17), ihnen Gutes zu tun und sie zu versorgen. Dafür will dir Gott auch ge-
nug geben und keinen Mangel lassen. Aber da sträubt und wehrt sich jedermann. Alle
haben Sorge, daß der Bauch verschmachten könnte, und wir können jetzt nicht einen
60 Sprichwort.
61 Schabab: verwerfliche Dinge, Kehricht, Schlacke, Späne, Spreu.
1...,346,347,348,349,350,351,352,353,354,355 357,358,359,360,361,362,363,364,365,366,...549
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