Die Bekenntnisschriften - page 361

Der Große Katechismus
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ihnen.
sollten wohl geradezu „gute Werke“ verboten und Klöster geräumt werden. Denn auf
diese Weise würde der einfache Christenstand ebenso viel, ja weit und viel mehr gel-
ten, und jedermann würde sehen, wie sie die Welt mit dem falschen, heuchlerischen
Schein der Heiligkeit äffen und verführen, weil sie dieses und andere Gebote in den
Wind geschlagen und für unnötig gehalten haben, als wären es nicht Gebote, sondern
Ratschläge
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.
Daneben haben sie unverschämt ihren Heuchelstand und ihre Werke als
das vollkommene Leben gerühmt und herausposaunt, um ja ein gutes, sanftes Leben
zu führen ohne Kreuz und Geduld. Deshalb sind sie auch in die Klöster gelaufen,
damit sie von niemandem etwas erleiden oder jemandem etwas Gutes tun müssen. Du
aber sollst wissen, daß dies die richtigen, heiligen und göttlichen Werke sind, an wel-
chen er sich mit allen Engeln freut. Dagegen ist alle menschliche Heiligkeit Gestank
und Mist und verdient dafür nichts anderes als Zorn und Verdammnis.
Das sechste Gebot
Du sollst nicht ehebrechen.
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Die folgenden Gebote sind an sich leicht aus dem vorigen zu verstehen. Denn sie laufen
alle darauf hinaus, daß man sich vor jeder Schädigung des Nächsten hüte. Sie sind aber
der Reihe nach aufgestellt, zum ersten bezogen auf dessen Person selbst, danach betref-
fen sie die nächste Person oder das ihm nach dem eigenen Leibe nächststehende Gut,
nämlich seinen Ehepartne
r
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, der mit ihm ein Fleisch und Blut ist (1. Mose 2, 24), so
daß man ihm an keinem anderen Gut mehr Schaden zufügen kann. Deswegen wird auch
hier deutlich ausgedrückt, daß man dem Nächsten keine Schande zufügen soll an seiner
Ehefrau. Es bezieht sich besonders auf den Ehebruch, weil es im jüdischen Volk so
geordnet und geboten war, daß jedermann ehelich gebunden sein mußte. Darum wurde
auch die Jugend möglichst zeitig verheiratet, so daß Jungfrauenstand keine Rolle spielte
und auch kein öffentliches Huren- und Bubenleben (wie jetzt) gestattet war. Deshalb
war der Ehebruch die verbreitetste sexuelle Verfehlung unter
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Weil es aber bei uns eine so schändliche Vermischung und einen Bodensatz aller La-
sterhaftigkeit gibt, ist dieses Gebot auch gegen alle sexuellen Verfehlungen gerichtet,
wie man sie auch nennen mag. Und es ist nicht allein äußerlich die Tat verboten, son-
dern auch die verschiedenen Ursachen, Aufreizungen und Mittel. So sollen Herz, Mund
und der ganze Leib keusch sein, keinen Raum, Hilfe noch Rat zur Verfehlung geben.
Aber nicht nur das, sondern auch wehren, schützen und retten, wo Gefahr und Not ist,
und andererseits helfen und lenken, daß der Nächste seine Ehre nicht verliert. Denn wo
du so etwas vernachlässigst, auch wenn du es verhüten könntest oder durch die Finger
siehst, als ginge es dich nichts an, bist du ebenso schuldig wie der Täter selbst. Also ist,
kurz gefaßt, so viel gefordert, daß ein jeglicher sowohl für sich selbst ehrenvoll lebt als
65 Die „evangelischen Räte“ (nach Worten Jesu über Armut, Ehelosigkeit, Gehorsam) bildeten die Grundlage der
mönchischen Lebensform.
66 Wörtlich: sein ehelich Gemahl.
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