Der Große Katechismus
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nicht allein daran denken, wie wir ihnen Geld und Gut sammeln. Denn Gott kann sie
wohl auch ohne uns ernähren und reich machen, wie er es auch täglich tut. Darum
aber hat er uns Kinder gegeben und anvertraut, daß wir sie nach seinem Willen auf-
ziehen und leiten. Für etwas anderes brauchte er Vater und Mutter nicht. Deshalb soll
jeder wissen, daß er schuldig ist bei Verlust der göttlichen Gnade, seine Kinder vor
allen Dingen zu Gottes Furcht und Erkenntnis zu erziehen und, wenn sie geschickt
sind, sie auch lernen und studieren zu lassen, damit man sie gebrauchen könne, wozu
es nötig ist.
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Wenn man nun solches täte, würde uns Gott auch reich segnen und Gnade geben, daß
man solche Leute erzöge, von denen Land und Leute Vorteil haben würden. Dazu
gäbe es zur Tüchtigkeit erzogene Bürger, anständige, häusliche Frauen, die dann
rechtschaffene Kinder und Dienstleute erziehen würden. Überlege nun selbst, was für
einen Mordsschaden du anrichtest, wenn du darin nachlässig bist und es versäumst,
dein Kind nützlich und heilsam zu erziehen. Du würdest alle Sünde und Zorn über
dich bringen und dir so die Hölle an deinen eigenen Kindern verdienen, auch wenn du
sonst fromm und heilig wärest. Deshalb auch, weil man solches verachtet, straft Gott
die Welt so schrecklich, daß man keine Ordnung, keine Herrschaft und keinen Frie-
den hat, was wir auch alle beklagen, aber wir sehen nicht, daß es unsere Schuld ist.
Denn so wie wir sie erziehen, bekommen wir ungeratene und ungehorsame Unterta-
nen. Das mag als Mahnung genügen, denn dies ausführlicher zu behandeln, erfordert
eine andere Zeit.
Das fünfte Gebot
Du sollst nicht töten.
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Wir haben nun sowohl die weltliche als auch die geistliche Herrschaft, das heißt
göttliche und väterliche Obrigkeit und Gehorsam abgehandelt. Jetzt aber gehen wir
aus unserem Haus unter die Nachbarn, um zu lernen, wie wir untereinander leben
sollen, jeder für sich selbst gegenüber seinem Nächsten. Darum sind in dieses Gebot
weder Gott und die Obrigkeit mit eingeschlossen, noch ist ihnen die Vollmacht abge-
nommen, wenn sie töten müssen. Denn Gott hat sein Recht, Übeltäter zu strafen, der
Obrigkeit übergeben anstelle der Eltern, welche früher (wie man bei Mose
[5. Mose 21, 18–20] liest) ihre Kinder selbst vor Gericht stellen und zum Tode verur-
teilen mußten. Deshalb ist das, was hier verboten ist, dem einen gegenüber dem ande-
ren verboten, nicht aber der Obrigkeit.
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Dieses Gebot ist nun leichtverständlich genug und oft behandelt worden, da man
es jährlich im Evangelium von Matthäus 5 hört
wo Christus es selbst auslegt und
darin zusammenfaßt, daß man nicht töten soll, weder mit Hand, Herzen, Mund, Zei-
chen, Gebärden noch mit Hilfe und Rat. Darum ist auch jedermann verboten zu zür-
62 Mt 5, 20–26 ist die Schriftlesung zum 6. Sonntag nach Trinitatis.