Die Bekenntnisschriften - page 421

Der Große Katechismus
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untereinander schuldig. Darum sollen und können wir wohl öffentlich vor jedermann
beichten, und es soll keiner den anderen scheuen. Denn es geht, wie das Sprichwort
sagt: „Ist einer rechtschaffen, so sind sie es alle“; und es tut keiner Gott oder dem
Nächsten, was er soll. Doch ist neben der allgemeinen Schuld auch eine besondere:
Wenn einer einen anderen erzürnt hat, so soll er ihm Abbitte leisten. Also haben wir
im Vaterunser zwei Absolutionen: daß uns vergeben ist, was wir sowohl an Gott als
auch am Nächsten verschuldet haben, wenn wir dem Nächsten vergeben und uns mit
ihm versöhnen.
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Außer solcher öffentlichen, täglichen und nötigen Beichte gibt es nun diese geheime
Beichte, die allein gegenüber einem Bruder geschieht, und sie soll dazu dienen, wo uns
etwas besonders anliegt oder anficht, mit dem wir uns herumschlagen und nicht zum
Frieden kommen können, und uns auch im Glauben nicht stark genug finden, daß wir
solches einem Bruder klagen, um Rat, Trost und Stärke zu holen, wann und wie oft wir
wollen. Denn es ist nicht in ein Gebot gefaßt wie jene zwei, sondern einem jeden, der es
nötig hat, überlassen, daß er es in seiner Not gebraucht. Und es ist daher gekommen und
geordnet, daß Christus selbst seiner Christenheit die Absolution in den Mund gelegt und
befohlen hat, uns von Sünden loszusprechen. Wo nun ein Herz ist, das seine Sünde fühlt
und Trost begehrt, hat es hier eine sichere Zuflucht: Da findet es Gottes Wort und hört,
daß ihn Gott durch einen Menschen von Sünden entbindet und losspricht.
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So merke dir nun, daß, wie ich oft gesagt habe, die Beichte aus zwei Stücken besteht.
Das erste ist unser Werk und Tun, daß ich meine Sünde klage und Trost und Erquik-
kung meiner Seele begehre. Das zweite ist ein Werk, das Gott tut, der mich durch das
Wort, das er Menschen in den Mund legt, losspricht von meinen Sünden. Das ist auch
das Vornehmste und Edelste, was die Beichte lieblich und tröstlich macht. Nun hat
man bisher allein auf unser Werk gedrungen und nicht weiter gedacht, als daß wir ja
rein gebeichtet hätten. Das nötigste, andere Stück wurde nicht geachtet oder ge-
predigt, gerade als wäre es allein ein gutes Werk, mit dem man Gott bezahlen sollte.
Wo die Beichte nicht vollkommen und aufs allergenaueste getan wäre, sollte die Ab-
solution nicht gelten oder die Sünde vergeben sein. Damit hat man die Leute so weit
getrieben, daß jeder daran hat verzweifeln müssen, so rein zu beichten (wie es denn
nicht möglich war), und kein Gewissen hat beruhigt sein oder sich auf die Absolution
verlassen können. Also haben sie uns die liebe Beichte nicht allein nutzlos, sondern
auch schwer und sauer gemacht mit merklichem Schaden und Verderben der Seele.
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Darum sollen wir’s so ansehen, daß wir die zwei Stücke weit voneinander scheiden
und setzen und unser Werk gering, aber Gottes Wort hoch und groß achten und nicht
hingehen, als wollten wir ein köstliches Werk tun und ihm geben, sondern nur von
ihm nehmen und empfangen. Du brauchst nicht zu kommen und zu sagen, wie fromm
oder böse du bist. Bist du ein Christ, so weiß ich es ohnehin gut, bist du keiner, so
weiß ich es noch viel mehr. Aber darum geht es, daß du deine Not klagst und dir hel-
fen und ein fröhlich Herz und Gewissen machen läßt.
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