Der Große Katechismus
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Darum heißt es mit Recht eine Speise der Seele, die den neuen Menschen nährt und
stärkt. Denn durch die Taufe werden wir zuerst neu geboren, aber daneben, wie schon
gesagt, bleibt gleichwohl die alte Haut in Fleisch und Blut am Menschen. Da ist so-
viel Behinderung und Anfechtung vom Teufel und der Welt, daß wir oft müde und
matt werden und manchmal auch straucheln. Darum ist es als tägliche Weide und
Fütterung gegeben, daß sich der Glaube erhole und stärke, damit er in solchem Kampf
nicht zurückfalle, sondern immer stärker und stärker werde. Denn das neue Leben soll
so beschaffen sein, daß es stets zunehme und fortschreite. Es muß aber dem entgegen
viel leiden. Denn der Teufel ist ein so zorniger Feind. Wenn er sieht, daß man ihm ent-
gegentritt und den alten Menschen angreift und er uns nicht mit Macht überrumpeln
kann, dann schleicht und streicht er auf allen Seiten umher, versucht alle Künste und
läßt nicht ab, bis er uns zuletzt müde macht, so daß man entweder den Glauben
fallenläßt oder an Händen und Füßen ermattet und unlustig oder ungeduldig wird. Dazu
ist nun der Trost [des Abendmahls] gegeben, wenn das Herz etwas fühlt, was ihm zu
schwer werden will, daß es hier neue Kraft und Labsal holen kann.
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Hier verdrehen sich abermals unsere klugen Geister
mit ihrer großen Kunst und
Klugheit, die schreien und poltern: „Wie kann Brot und Wein die Sünde vergeben
oder den Glauben stärken?“, obwohl sie doch hören und wissen, daß wir so etwas
nicht von Brot und Wein sagen, da an sich selbst Brot Brot ist, sondern von solchem
Brot und Wein, das Christi Leib und Blut ist und die Worte bei sich hat. Dieses, sa-
gen wir, ist ja der Schatz und kein anderer, wodurch solche Vergebung erworben ist.
Nun wird es uns ja nicht anders als in den Worten „Für euch gegeben und vergossen“
gebracht und zugeeignet. Denn darin hast du sowohl, daß es Christi Leib und Blut ist,
als auch, daß es dein ist als ein Schatz und Geschenk. Nun kann ja Christi Leib nicht
eine unfruchtbare, vergebliche Sache sein, die nichts schafft oder nützt. Doch wie
groß auch der Schatz an sich ist, er muß in das Wort eingefaßt und uns gereicht wer-
den, sonst würden wir’s weder wissen noch suchen können.
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Darum ist es auch ganz unsinnig, daß sie sagen, Christi Leib und Blut sei nicht im
Abendmahl für uns gegeben oder vergossen worden; deswegen könnte man im Sa-
krament nicht die Vergebung der Sünden haben. Denn wenn auch das Werk am
Kreuz geschehen und [dort] die Vergebung der Sünden erworben ist, so kann sie doch
nicht anders als durchs Wort zu uns kommen. Denn was wüßten wir sonst davon, daß
solches geschehen sei oder uns geschenkt sein solle, wenn man es uns nicht durch die
Predigt oder das mündliche Wort vortragen würde? Woher wissen sie es oder wie
können sie die Vergebung ergreifen und zu sich bringen, wenn sie sich nicht an die
Schrift und das Evangelium halten und [es] glauben? Nun ist ja das ganze Evange-
lium und der Artikel des Glaubens: „Ich glaube eine heilige christliche Kirche, Ver-
gebung der Sünden“ usw. durch das Wort in dieses Sakrament gesteckt und uns vor-
gelegt. Warum sollten wir solchen Schatz aus dem Sakrament reißen lassen, obwohl
sie doch bekennen müssen, daß es eben die Worte sind, die wir allenthalben im Evan-
gelium hören, und ja ebensowenig sagen können, diese Worte im Sakrament seien
107 Vgl. oben Nr. 212; 221.