Die Bekenntnisschriften - page 420

Der Große Katechismus
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niemand rein genug beichten konnte. Und das Ärgste ist gewesen, daß niemand ge-
lehrt oder gewußt hat, was die Beichte sei oder wie nützlich und tröstlich sie ist. Statt
dessen haben sie nur Angst und Höllenmarter daraus gemacht, daß man es hat tun
müssen und doch keiner Sache so feind gewesen ist. Diese drei Stücke sind uns nun
abgenommen und geschenkt, so daß wir es nicht aus Zwang oder Furcht tun müssen.
Auch ist die Marter uns abgenommen, alle Sünden so genau aufzuzählen. Außerdem
haben wir den Vorteil, daß wir wissen, wie man sie zu Trost und Stärke unseres Ge-
wissens auf die Rettung hin gebrauchen soll.
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Aber solches weiß nun jedermann. Und sie haben es leider allzugut gelernt, so daß sie
tun, was sie wollen und sich die Freiheit so nehmen, als sollten oder müßten sie nie
mehr beichten. Denn das hat man bald erfaßt, was uns sonst wohltut, und es geht über
die Maßen leicht ein, wo das Evangelium sanft und weich ist. Aber solche Säue (habe
ich gesagt)
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sollten nicht bei dem Evangelium sein oder etwas davon haben, sondern
unter dem Papst bleiben und sich treiben und plagen lassen, so daß sie mehr als je
vorher beichten müßten, fasten usw. Denn wer das Evangelium weder glauben noch
danach leben und tun will, was ein Christ tun soll, der soll es auch nicht genießen.
Was wäre das, daß du nur Nutzen haben wolltest und nichts dafür tun oder auf-
wenden wolltest? Darum wollen wir solchen nichts gepredigt haben, ihnen auch,
wenn es nach unserm Willen geht, nichts von unserer Freiheit einräumen oder sie
genießen lassen, sondern wieder den Papst oder seinesgleichen über sie [herrschen]
lassen, der sie zwingt wie ein rechter Tyrann. Denn unter den Pöbel, der dem Evan-
gelium nicht gehorchen will, gehört nichts als ein solcher Büttel, der Gottes Teufel
und Henker sein soll. Den andern aber, die es sich gerne sagen lassen, müssen wir
immer predigen, sie anhalten, anreizen und locken, damit sie solchen teuren und tröst-
lichen Schatz, durchs Evangelium vorgetragen, nicht umsonst dahingehen lassen.
Darum wollen wir auch von der Beichte etwas reden, um die einfachen Leute zu un-
terrichten und zu ermahnen.
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Zum ersten habe ich gesagt, daß es außer dieser Beichte, von der wir hier reden, noch
zweierlei Beichte gibt, die man eher ein allgemeines Bekenntnis aller Christen nen-
nen könnte, nämlich wenn man Gott selbst allein oder dem Nächsten allein beichtet
und um Vergebung bittet. Sie sind auch im Vaterunser enthalten, wenn wir sprechen:
„Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“ usw. Ja, das
ganze Vaterunser ist nichts anderes als eine solche Beichte. Denn was ist unser Gebet
anderes, als daß wir bekennen, was wir nicht haben, oder tun, was wir schuldig sind,
und Gnade und ein fröhliches Gewissen begehren? Solche Beichte muß unablässig
geschehen, solange wir leben. Denn darin besteht eigentlich das Christsein, daß wir
uns als Sünder erkennen und um Gnade bitten.
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Ebenso ist die zweite Beichte, die ein jeder gegenüber seinem Nächsten tut, auch ins
Vaterunser eingebunden, daß wir untereinander unsere Schuld beichten und verge-
ben, ehe wir vor Gott kommen und um Vergebung bitten. Nun sind wir insgesamt alle
112 In der Vorrede zum Kleinen Katechismus; siehe dort Nr. 1, oben S. 13.
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