Bekenntnis des Glaubens
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12. Wir glauben, daß aus dieser allgemeinen Verderbnis und Verdammnis, in die alle
Menschen versunken sind, Gott diejenigen entreißt, die er in seinem ewigen und un-
veränderlichen Ratschluß erwählt hat allein durch seine Güte und Barmherzigkeit in
unserem Herrn Jesus Christus, ohne Rücksicht auf ihre Werke, indem er die anderen in
eben dieser Verderbnis und Verdammnis läßt, um an ihnen seine Gerechtigkeit zu
erzeigen (2. Mose 9, 16; Röm 9, 22), wie er an den ersteren den Reichtum seines Er-
barmens aufleuchten läßt (Röm 3, 22; 9, 23). Denn die einen sind nicht besser als die
anderen (Jer 10, 23), bis Gott sie scheidet nach seinem unveränderlichen Ratschluß,
den er in Jesus Christus gefaßt hat vor Erschaffung der Welt (Eph 1, 4 f.), und nie-
mand könnte sich den Weg zu einem solchen Gut durch eigene Kraft bahnen, da wir
von Natur nicht eine einzige gute Regung noch Empfindung oder einen guten Gedan-
ken haben können, bis Gott uns zuvorkommt und uns dazu instand setzt.
13. Wir glauben, daß in ihm, Jesus Christus, uns alles, was zu unserem Heil erforder-
lich war, dargeboten und mitgeteilt ist. Da er uns zum Heil gegeben ist, ist er uns je
und je gemacht zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung (1. Kor 1, 30), so
daß man, wenn man sich von ihm abwendet, auf die Barmherzigkeit des Vaters ver-
zichtet, wo wir unsere einzige Zuflucht finden können.
14. Wir glauben, daß Jesus Christus, die Weisheit Gottes und sein ewiger Sohn, unser
Fleisch angenommen hat (Joh 1, 14), um Gott und Mensch in einer Person zu sein,
nämlich unseresgleichen (Hebr 2, 17), leidensfähig an Leib und Seele, nur daß er rein
von aller Befleckung gewesen ist. Und hinsichtlich seiner Menschheit ist er wahrer
Samen Abrahams und Davids (Apg 13, 23), obwohl er empfangen ist durch die ge-
heimnisvolle Kraft des Heiligen Geistes (Mt 1, 18). Daher verabscheuen wir alle Hä-
resien, die von alters die Kirchen verwirrt haben, und besonders auch die teuflischen
Einbildungen Servets
, der dem Herrn Jesus eine phantastische Gottheit beilegt, indem
er sagt, er sei die Idee und das Vorbild aller Dinge, und ihn den persönlichen oder
figürlichen Sohn Gottes nennt und schließlich ihm einen Leib aus drei unerschaffenen
Elementen zurechtmacht und auf diese Weise die beiden Naturen gänzlich vermischt
und zerstört.
15. Wir glauben, daß in ein und derselben Person, nämlich in Jesus Christus, die bei-
den Naturen wahrhaftig und unzertrennlich verbunden und vereinigt sind (Mt 1; Lk 1),
obwohl jede Natur in ihrer unterschiedlichen Eigenheit verbleibt (Joh 1, 14; 1. Tim
2, 5), so daß, wie in dieser Verbindung die göttliche Natur, die ihre Eigenart behält,
unerschaffen, unendlich und alle Dinge erfüllend bleibt, auch die menschliche Natur
endlich geblieben ist, ihre Gestalt, ihr Maß und ihre Eigenart hat (Lk 24, 38 f.); und,
obwohl Jesus Christus bei der Auferstehung seinem Leibe Unsterblichkeit gegeben hat
(Röm 1, 4; Phil 3, 21), hat er ihm doch nicht seine wahre Natur genommen. Und so
betrachten wir ihn in seiner Gottheit dergestalt, daß wir ihn keineswegs seiner
Menschheit berauben.
7 Michael Servet, antitrinitarischer Theologe, 1553 in Genf als Häretiker verurteilt und hingerichtet.