Die Bekenntnisschriften - page 484

Bündige Zusammenfassung strittiger Artikel
217
oder ob zwischen der Substanz des Menschen, seiner Natur, Wesen, Leib, Seele und der
Erbsünde auch nach dem Fall ein Unterschied bestehe, so daß die Natur das eine und die
Erbsünde, die in der verderbten Natur steckt und die Natur verderbt, etwas anderes sei.
Affirmativa
Reine Lehre, Glaube und Bekenntnis gemäß der vorangestellten Richtschnur und bün-
digen Zusammenfassung
1. Wir glauben, lehren und bekennen, daß ein Unterschied besteht zwischen der Natur
des Menschen, nicht nur wie er zu Anfang von Gott rein und heilig ohne Sünde er-
schaffen worden ist, sondern auch wie wir die Natur jetzt nach dem Fall haben – ein
Unterschied also zwischen der Natur, die auch nach dem Fall noch eine Kreatur Got-
tes ist und bleibt, und der Erbsünde, und daß dieser Unterschied so groß ist wie der
Unterschied zwischen dem Werk Gottes und dem des Teufels.
2. Wir glauben, lehren und bekennen auch, daß dieser Unterschied mit größter Sorg-
falt zu bewahren ist, weil diese Lehre, daß zwischen unserer verderbten Menschenna-
tur und der Erbsünde kein Unterschied sein soll, den Hauptartikeln unseres christli-
chen Glaubens von der Erschaffung, Erlösung, Heiligung und Auferstehung unseres
Fleisches widerstreitet und neben ihnen nicht bestehen kann.
Denn Gott hat nicht allein Adams und Evas Leib und Seele vor dem Fall, sondern
auch unseren Leib und unsere Seele nach dem Fall erschaffen, obgleich sie verderbt
sind (5. Mose 32, 5 f.). Und Gott erkennt sie auch weiterhin als sein Werk an, wie
geschrieben steht, Hiob 10 (v. 8): „Deine Hände haben mich gearbeitet und gemacht,
alles was ich um und um bin“ (Jes 45, 9–12; 54, 5; 64, 7 f.; Apg 17, 24–28; Ps 100, 3;
139, 13–16; Pred 12, 1).
Es hat auch der Sohn Gottes in Einheit seiner Person eine solche menschliche Na-
tur, jedoch ohne Sünde, und also nicht ein fremdes, sondern unser Fleisch angenom-
men und ist nach demselben unser wahrer Bruder geworden; Hebr 2 (v. 14): „Nach-
dem die Kinder Fleisch und Blut haben, ist er dessen gleichermaßen teilhaftig gewor-
den“; ebenso: „Er nimmt sich nicht der Engel an, sondern des Samens Abrahams
nimmt er sich an, daher muß er in allen Dingen seinen Brüdern“, ausgenommen was
die Sünde angeht, „gleich werden“ (Hebr 2, 16 f.).
Also hat Christus auch die menschliche Natur erlöst als sein Werk, er heiligt sie als
sein Werk, erweckt sie von den Toten und schmückt sie herrlich als sein Werk. Aber
die Erbsünde hat er nicht erschaffen, nicht angenommen, nicht erlöst, nicht geheiligt,
wird sie auch nicht erwecken an den Auserwählten, weder schmücken noch selig ma-
chen, sondern sie wird in der Auferstehung ganz und gar vertilgt sein.
Daraus ist der Unterschied zwischen der verderbten Natur und der Verderbnis, die in
der Natur steckt und durch die die Natur verderbt worden ist, leicht zu erkennen.
3. Wir glauben, lehren und bekennen aber andererseits, daß die Erbsünde nicht eine
unbedeutende, sondern eine so tiefe Verderbnis der menschlichen Natur ist, daß nichts
Gesundes oder Unverderbtes an Leib und Seele des Menschen, seinen innerlichen und
äußerlichen Kräften geblieben sei, sondern es verhält sich, wie die Kirche singt:
1...,474,475,476,477,478,479,480,481,482,483 485,486,487,488,489,490,491,492,493,494,...549
Powered by FlippingBook