Bündige Zusammenfassung strittiger Artikel
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kannt sind – in den Predigten vor dem einfachen, unwissenden Volk nicht gebraucht,
sondern das einfache Volk soll damit verschont werden.
Aber im Unterricht bei den Gelehrten werden solche Fachwörter, durch die das We-
sen einer jeden Sache [und eines jeden Lebewesens] und das, was ihr zufälligerwei-
se
zukommt, zutreffend unterschieden werden, auch rechtmäßig im gelehrten Streit-
gespräch von der Erbsünde beibehalten, weil sie wohlbekannt sind und ohne jegliches
Mißverständnis gebraucht werden.
Denn dadurch wird der Unterschied zwischen dem Werk Gottes und dem des Teu-
fels am deutlichsten gezeigt: Der Teufel kann nämlich keine Substanz erschaffen, son-
dern allein zufälligerweise die von Gott erschaffene Substanz, weil Gott dies zuläßt,
verderben.
II. Vom freien Willen
Die Hauptstreitfrage
Der Wille des Menschen ist in vier unterschiedlichen Wirkzusammenhängen zu fin-
den, nämlich: 1. vor dem Fall; 2. nach dem Fall; 3. nach der Wiedergeburt; 4. nach der
Auferstehung des Fleisches. Die Hauptfrage aber betrifft allein den Willen und das
Vermögen des Menschen im zweiten Wirkzusammenhang: Sie zielt darauf, was der
Wille nach dem Fall unserer ersten Eltern und vor seiner Wiedergeburt aus sich selbst
heraus in geistlichen Dingen für Kräfte habe, und ob er es vermöge, sich aus seinen
eigenen Kräften, bevor er durch den Geist Gottes wiedergeboren ist, zur Gnade Gottes
bereitzumachen und sich vorzubereiten und die durch den Heiligen Geist im Wort und
den heiligen Sakramenten angebotene Gnade anzunehmen oder nicht.
Affirmativa
Reine Lehre von diesem Artikel gemäß dem Worte Gottes
1. Unsere Lehre, Glaube und Bekenntnis hiervon ist, daß Verstand und Vernunft des
Menschen in geistlichen Dingen blind sind und nichts aus ihren eigenen Kräften her-
aus verstehen, wie geschrieben steht (1. Kor 2, 14): „Der natürliche Mensch vernimmt
nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht begreifen“, wenn
er nach geistlichen Dingen gefragt wird.
2. Desgleichen glauben, lehren und bekennen wir, daß der unwiedergeborene Wille des
Menschen nicht nur von Gott abgewandt, sondern auch ein Feind Gottes geworden ist,
daß er nur Lust und Willen zum Bösen hat und zu dem, was Gott zuwider ist, wie ge-
schrieben steht (1. Mose 8, 21): „Das Dichten des Menschenherzens ist böse von Jugend
auf“; ebenso: „Fleischlich gesinnt sein ist eine Feindschaft gegen Gott, sintemal [das
Fleisch] dem Gesetz nicht untertan ist, denn es vermag es auch nicht“ (Röm 8, 7). Ja,
11 Ohne Auswirkung auf die wesensmäßige Beschaffenheit.