Die Bekenntnisschriften - page 494

Bündige Zusammenfassung strittiger Artikel
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setz überhaupt nicht predigen, sondern allein aus dem heiligen Evangelium die Leute
zu guten Werken ermahnen. Die andere Seite hat dem widersprochen.
Affirmativa
Reine Lehre der christlichen Kirche von dieser Streitfrage
Um diesen Streit gründlich zu erklären und beizulegen ist folgendes unsere Lehre,
Glaube und Bekenntnis:
1. Daß gute Werke dem wahren Glauben, sofern dieser nicht ein toter, sondern ein
lebendiger Glaube ist, gewiß und zweifellos wie Früchte eines guten Baumes folgen.
2. Wir glauben, lehren und bekennen auch, daß die guten Werke, sowohl wenn nach
der Seligkeit gefragt wird als auch im Artikel von der Rechtfertigung vor Gott, gänz-
lich ausgeschlossen werden sollen, wie der Apostel mit klaren Worten bezeugt, wenn
er folgendes schreibt: „Nach welcher Weise auch David sagt, daß die Seligkeit sei
allein des Menschen, welchem Gott zurechnet die Gerechtigkeit, ohne Zutun der Wer-
ke, da er spricht: ,Selig sind die, welchen ihre Ungerechtigkeit nicht zugerechnet
wird‘“, Röm 4 (v. 6); und noch einmal: „Aus Gnade seid ihr selig geworden. Gottes
Gabe ist es, nicht aus den Werken, auf daß sich nicht jemand rühme“, Eph 2 (v. 8 f.).
3. Wir glauben, lehren und bekennen auch, daß alle Menschen, besonders aber die, die
durch den Heiligen Geist wiedergeboren und erneuert sind, schuldig sind, gute Werke
zu tun.
4. Nach diesem Verständnis werden die Worte „nötig“, „sollen“ und „müssen“ auch
von den Wiedergeborenen recht und christlich gebraucht und widersprechen keines-
wegs dem Muster recht gebrauchter Worte und Aussagen.
5. Doch soll unter den genannten Worten: „necessitas“, „necessarium“, „Notwendig-
keit“ und „notwendig“, wenn von den Wiedergeborenen die Rede ist, nicht ein Zwang,
sondern allein der schuldige Gehorsam verstanden werden, welchen die wahrhaft
Glaubenden, soviel sie wiedergeboren sind, nicht aus Zwang oder Antreiben des Ge-
setzes, sondern aus freiwilligem Geist leisten, weil sie „nicht mehr unter dem Gesetz,
sondern unter der Gnade sind“ (Röm 6, 14).
6. Demnach glauben, lehren und bekennen wir auch, daß, wenn gesagt wird, die Wie-
dergeborenen tun gute Werke aus einem freien Geist, dies nicht so verstanden werden
soll, als ob es in der freien Entscheidung des wiedergeborenen Menschen stünde, Gu-
tes zu tun oder zu lassen, wann er will, und er dennoch den Glauben behalten könne,
auch wenn er vorsätzlich in Sünden verharrt.
7. Dies soll jedoch nicht anders verstanden werden, als wie es der Herr Christus und
seine Apostel selbst erklärt haben, nämlich im Blick auf den befreiten Geist. Dieser
handelt nicht aus Furcht vor Strafe wie ein Knecht, sondern aus Liebe zur Gerechtig-
keit wie die Kinder Gottes, Röm 8 (v. 15).
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