Die Bekenntnisschriften - page 529

Die Barmer Theologische Erklärung
269
„Wir bekennen uns angesichts der die Kirche verwüstenden und damit auch die Ein-
heit der Deutschen Evangelischen Kirche sprengenden Irrtümer der Deutschen Chri-
sten und der gegenwärtigen Reichskirchenregierung zu folgenden evangelischen
Wahrheiten.“
Die sechs Sätze, die nun folgen, sind nicht zu verstehen als Verhandlungsbasis mit
unseren Gegnern, als könnte noch etwas davon abgemarktet werden, als könnten wir
uns von diesen Ausgangspunkten aus auf einer gemeinsamen Linie mit unseren Geg-
nern einigen. Sondern sie sind zu verstehen als conditio sine qua non. Das zu bezeu-
gen ist uns ein ernstes Anliegen; denn der gegenwärtige Kampf in der Kirche ist
wahrlich keine Parteiauseinandersetzung im Sinn der letzten 14 Jahre, sondern es geht
hier um die letzten Dinge.
1.
„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn
durch mich“ (Joh 14, 6).
„Wahrlich, wahrlich ich sage euch, wer nicht zur Tür hineingeht in den Schafstall,
sondern steiget anderswo hinein, der ist ein Dieb und ein Mörder … Ich bin die Tür;
so jemand durch mich eingeht, der wird selig werden“ (Joh 10, 1.9).
Jeder unserer Sätze beginnt mit einer Schriftstelle, in welcher nach unserer Überzeu-
gung eine ganze Reihe von Schriftstellen zusammengefaßt sind, die Gehorsam hei-
schend vor uns treten und zeigen, daß es uns nicht um programmatische Forderungen
geht, über die man allenfalls reden kann, sondern daß wir auf Leben und Seligkeit hin
gerufen sind. Wir stehen an einem Ort der Kirchengeschichte, an welchem nach unse-
rer Überzeugung versucht wird, an einer anderen Stelle in den Schafstall einzusteigen
als durch die Tür. Wir stehen an einem Punkt der Kirchengeschichte, an dem jedem,
dem Gott Glauben gegeben hat, einsichtig geworden sein muß, daß es um die Rettung
und das Seligwerden von Sündern geht. Mag die Frage der Art des Einsatzes der Kir-
che im Dritten Reich eine dringende Frage sein, so wissen wir, daß es für die Kirche
noch viel dringlicher ist, ob ihre Diener wirklich durch die Tür in den Schafstall ge-
hen.
Uns ist für die heutige Zeit dieses Verständnis der Bibelstelle gegeben:
„Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort
Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu ge-
horchen haben.“
Dieser Absatz besagt, daß es die Aufgabe ist, und zwar die einzige und vordringliche
Aufgabe der Kirche, Jesus Christus zu predigen. Es ist nur durch einen Irrtum mög-
lich, ihn als Idee zu predigen, die in der Geschichte mehr oder weniger verwirklicht
wird. Wäre es so, dann wäre die Deutung einer gegenwärtigen Geschichte und die
1...,519,520,521,522,523,524,525,526,527,528 530,531,532,533,534,535,536,537,538,539,...549
Powered by FlippingBook