Die Barmer Theologische Erklärung
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„Wir erklären vor der Öffentlichkeit aller evangelischen Kirchen Deutschlands, daß
die Gemeinschaft dieses Bekenntnisses und damit auch Einheit der Deutschen Evan-
gelischen Kirche aufs schwerste gefährdet ist. Sie ist bedroht durch die in dem ersten
Jahr des Bestehens der Deutschen Evangelischen Kirche mehr und mehr sichtbar
gewordene Lehr- und Handlungsweise der herrschenden Kirchenpartei der Deut-
schen Christen und des von ihr getragenen Kirchenregiments. Diese Bedrohung be-
steht darin, daß die theologische Voraussetzung, in der die Deutsche Evangelische
Kirche vereinigt ist, sowohl seitens der Führer und Sprecher der Deutschen Christen,
als auch seitens des Kirchenregiments dauernd und grundsätzlich durch fremde Vor-
aussetzungen durchkreuzt und unwirksam gemacht wird. Bei deren Geltung hört die
Kirche nach allen bei uns in Kraft stehenden Bekenntnissen auf, Kirche zu sein. Bei
deren Geltung wird also auch die Deutsche Evangelische Kirche als Bund der Be-
kenntniskirchen innerlich unmöglich.“
Unsere Bekenntnisgemeinschaft ist also nach der positiven und nach der negativen
Seite hin begründet. Uns Vertreter dieser Synode eint das gemeinsame Bekenntnis zu
der einen Kirche Jesu Christi; uns eint der verfassungs- und rechtsmäßig feststehende
Grund der Deutschen Evangelischen Kirche. Uns eint aber ebensosehr der unerhörte,
Grundlage und Wesen der Deutschen Evangelischen Kirche zerstörende Angriff, wel-
chem die Deutsche Evangelische Kirche seit mehr als einem Jahr ausgesetzt ist. Wir
würden uns vor Gott versündigen, wir würden auch die uns gebotene Liebe zu Volk
und Vaterland verleugnen, wenn wir diesen Tatbestand nicht mit dem Ausdruck des
schärfsten Protestes vor der deutschen Öffentlichkeit darlegen würden. Denn die Ein-
heit des Bekenntnisses zu der einen Kirche Jesu Christi ist in der Deutschen Evangeli-
schen Kirche auf das schwerste gefährdet. Damit droht die Deutsche Evangelische
Kirche überhaupt auseinanderzufallen. Denn nur in diesem Bekenntnis gibt es Deut-
sche Evangelische Kirche.
Offenbar geworden ist diese Gefährdung sowohl durch Lehr- und Handlungsweise
der herrschenden Kirchenpartei der Deutschen Christen als auch durch die von ihr
getragene Reichskirchenregierung. Dabei handelt es sich nicht um gelegentliche Ver-
sehen einzelner, denen man auf dem Verwaltungswege begegnen und sie so beseiti-
gen könnte; sondern es handelt sich um falsche Lehre auf der ganzen Front und um
ein Verhalten, das nicht nur gelegentlich, sondern grundsätzlich und in seiner ganzen
Breite dem Evangelium, den in Kraft stehenden Bekenntnissen und der Verfassung
der Deutschen Evangelischen Kirche widerstreitet. Wir müßten dicke Bände schrei-
ben, um die Unsumme von Gewalttaten, Unrecht, Rechtsbeugung und Rechtsbruch
aufzuzählen, in welchen diese Handlungsweise sichtbar geworden ist. Nicht mit Un-
recht werden wir den neuesten Annäherungsversuch der Deutschen Christen an uns
so deuten, daß auch ihnen selbst aufzugehen beginnt, welche unabsehbaren Folgen
aus der bisher vertretenen falschen Lehre und aus den bisher begangenen unkirchli-
chen und rechtswidrigen Handlungen sich ergeben werden. Auch sieht jeder Einsich-
8 Eine Einladung der Reichsleitung DC an lutherische Theologen der Bekennenden Kirche zu einer Aussprache
nach Erlangen wurde von diesen nicht angenommen.