Das Augsburger Bekenntnis
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den, solange die Meinung von der Notwendigkeit besteht. Diese aber behauptet sich
zwangsläufig, wo man von der Glaubensgerechtigkeit und der christlichen Freiheit
nichts weiß.
Die Apostel haben angeordnet, sich des Blutes usw. zu enthalten (Apg 15, 29). Wer
beachtet das jetzt? Und doch sündigen nicht, die es nicht einhalten, weil auch die
Apostel selbst nicht die Gewissen beladen wollten mit solcher Last, sondern es nur
für eine gewisse Zeit des Ärgernisses wegen verboten. Bei diesem Dekret muß man
nämlich auf den fortdauernden Willen des Evangeliums achten.
Kaum irgendwelche Kirchengesetze werden genau befolgt. Und alle Tage geraten
welche in Vergessenheit sogar bei denen, die die Überlieferungen verteidigen. Auch
kann man nicht den Gewissen raten, wenn man nicht diese Billigkeit wahrt, daß wir
wissen: Man soll sie ohne die Meinung einer Notwendigkeit halten, und die Gewis-
sen werden auch dann nicht verletzt, wenn
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sich die Gewohnheit der Menschen in
solcher Sache ändert
bb
.
Av
a
[CR 409; Zusatz:] und zu sündigen meinen, wenn sie sie, ohne anderen Ärgernis zu geben,
verletzen
b…bb
Überlieferungen veralten
[
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Den Bischöfen wird man gehorchen, wenn sie dem Evangelium Raum geben und
auf unrechtmäßigen Zwang verzichten] Leicht aber könnten sich die Bischöfe den
rechtmäßigen Gehorsam erhalten, wenn sie nicht darauf dringen würden, Überliefe-
rungen zu bewahren, die man guten Gewissens nicht aufrechterhalten kann. Gegen-
wärtig befehlen sie das Zölibat; sie akzeptieren keine [Priester], außer wenn sie
schwören, die reine Lehre des Evangeliums nicht lehren zu wollen. Unsere Kirchen
fordern nicht, [132] daß die Bischöfe die Eintracht unter Verlust ihrer Ehre wieder-
herstellen sollen, was dennoch guten Hirten zu tun geziemen würde. Nur bitten sie,
daß die ungerechten Lasten erlassen werden, die neu sind und abseits des Brauchs der
katholischen Kirche aufgenommen wurden. Vielleicht hatten am Anfang jene Anord-
nungen annehmbare Gründe. Sie entsprechen jedoch nicht mehr den späteren Zeiten.
Es ist auch offenkundig, daß einige aus Irrtum aufgekommen sind. Daher stünde es
der Nachsicht der Bischöfe an, sie jetzt zu mildern, denn solche Veränderung bringt
nicht die Einheit der Kirche zu Fall. Viele menschliche Überlieferungen nämlich sind
mit der Zeit verändert worden, wie die Kirchengesetze selbst beweisen. Wenn jedoch
nicht erreicht werden kann, daß Vorschriften aufgehoben werden, die ohne Sünde
nicht gehalten werden können, dann müssen wir der apostolischen Regel folgen, die
gebietet, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen (Apg 5, 29).
Petrus verbietet den Bischöfen, zu herrschen und
a
auf die Kirchen Zwang auszu-
üben
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(
1. Petr 5, 2.3). Nicht das ist jetzt beabsichtigt, daß die Bischöfe aus ihrer Stel-
lung weichen sollen, sondern dies eine erbittet man: Sie sollen dulden, daß das Evan-
gelium rein gelehrt wird, und einige wenige Vorschriften aufheben, die ohne Sün-