Das Augsburger Bekenntnis
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los und gegen die Gebote Gottes vollzogen wird, gilt nicht. Denn ein Gelübde darf
nicht ein Band der Ungerechtigkeit sein, wie das Kirchengesetz sagt.
Paulus sagt: „Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden
wollt; ihr seid aus der Gnade gefallen“ (Gal 5, 4).
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Also haben auch die, die durch
Gelübde gerecht werden wollen, Christus verloren und sind aus der Gnade gefallen.
Denn auch diejenigen, die den Gelübden die Rechtfertigung zuerkennen, schreiben
den eigenen Werken zu, was eigentlich der Ehre Christi zukommt. Es ist aber auch
nicht zu leugnen, daß die Mönche lehren, sie würden durch die Gelübde und die ei-
genen Regeln gerechtfertigt und die Vergebung der Sünden verdienen. Ja, sie haben
sogar [117] noch Unsinnigeres hinzugefügt: Sie rühmten sich, die eigenen Werke
anderen zu borgen. Wollte jemand dies in gehässiger Weise darlegen – wie vieles
könnte er zusammentragen, dessen sich auch die Mönche selbst schämen! Darüber
hinaus haben sie den Leuten eingeredet, die Erfüllung mönchischer Pflichten sei der
Stand christlicher Vollkommenheit. Heißt das nicht, den Werken die Rechtfertigung
zuzuschreiben?
cc
Es ist kein geringes Ärgernis in der Kirche, dem Volk einen be-
stimmten, von Menschen erdachten Kult ohne Gottes Gebot vorzulegen und zu leh-
ren, ein solcher Kult rechtfertige die Menschen. Denn die Glaubensgerechtigkeit, die
in der Kirche als das Wichtigste überliefert werden muß, wird verfinstert, wenn jene
seltsame Engelfrömmigkei
, die Vortäuschung von Armut, Demut und Keuschheit
den Leuten vor Augen gerückt werden.
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[Zusatz:] , nicht wegen irgendwelcher Verdienste von uns.
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[CR 403] Das heißt: Diejenigen, die meinen, sie würden die Vergebung der Sünden durch
eigene Werke verdienen und wegen der eigenen Gesetzeserfüllung Gott gefallen, und die nicht
einsehen, daß sie um Christi willen umsonst im Glauben eine durch Gottes Barmherzigkeit ge-
schenkte Sündenvergebung empfangen und daß sie um Christi willen Gott gefallen, die verlieren
Christus, weil sie das Christus und der Verheißung Gottes geschuldete Vertrauen auf die Werke
übertragen. Ebenso setzen sie dem Zorn Gottes nicht den Versöhner Christus entgegen, sondern
die eigenen Werke. Daher übertragen sie die Christus geschuldete Ehre auf unsere Werke. Es
steht aber fest, daß die Mönche dies lehren: daß sie durch das Befolgen ihrer Vorschriften die
Sündenvergebung verdienten und daß sie deshalb einen versöhnten Gott hätten. Daher lehren
sie, auf die eigenen Werke und nicht auf die Versöhnung Christi zu vertrauen. Dieses Vertrauen
ist gottlos; es widerstreitet dem Evangelium, und es wird im Gericht Gottes als nichtig erwiesen
werden. Denn es können nicht unsere Werke dem Zorn und Gericht Gottes entgegengestellt wer-
den. Nur dann wird Gottes Zorn versöhnt, wenn wir die geschenkte Barmherzigkeit, die um
Christi willen verheißen ist, im Glauben ergreifen. Es verlieren also diejenigen Christus, die ihre
Zuversicht nicht auf Christus, sondern auf die eigenen Werke setzen.
Außerdem lehrten die Mönche, ihre Lebensform sei der Stand der Vollkommenheit, weil sie
nicht nur die Gebote, sondern auch die [evangelischen] Ratschläge befolgen würden. Dieser
Irrtum widerstreitet aufs stärkste dem Evangelium, weil sie sich einbildeten, sie würden den
Geboten in der Weise Genüge tun, daß sie sogar noch mehr als dies tun würden. Und daraus
entstand der schreckliche Irrtum, daß [CR 404] sie meinten, sie hätten über die Forderung [des
Gesetzes] hinausgehende Verdienste. Diese verwendeten sie so für andere, daß sie Genug-
tuungsleistungen für fremde Sünden sein sollten. Wollte jemand dies in gehässiger Weise
darlegen – an wie vieles könnte er da erinnern, dessen sich auch die Mönche selbst schämen.
129 Anspielung auf Kol 2, 18.