Die Bekenntnisschriften - page 70

Das Augsburger Bekenntnis
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nötig ist, wie an die Galater (5, 1) geschrieben ist: [129] „Laßt euch nicht wieder das
Joch der Knechtschaft auflegen.“ Denn es muß die Hauptlehre des Evangeliums er-
halten bleiben, daß wir die Gnade durch den Glauben an Christus erlangen, nicht
durch bestimmte Vorschriften oder von Menschen eingesetzte Kulte.
[
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Kirchliche Ordnungen dienen der Liebe, ohne Heilsbedingung zu sein] Was also
soll man halten vom Sonntag und ähnlichen Ordnungen der Kirchen? Darauf antwor-
ten [die Unsrigen], daß es den Bischöfen oder Pastoren freisteht, Anordnungen zu
treffen, damit die Dinge in der Kirche ordentlich vonstatten gehen, nicht [aber,] damit
wir durch sie für die Sünden Genugtuung leisten oder die Gewissen gebunden wer-
den, daß sie sie für notwendige Kulte halten
a
. So ordnet Paulus an, daß in der Ver-
sammlung die Frauen die Häupter verhüllen sollen, daß der Reihe nach die Aus-
legenden in der Kirche gehört werden sollen (1. Kor 11, 5; 14, 30.31).
Es ziemt den Kirchen, solchen Ordnungen um der Liebe und der Ruhe willen zu
gehorchen und sie soweit einzuhalten, daß nicht die einen den anderen Anstoß geben.
Vielmehr soll alles ordentlich und ohne Verwirrung in den Kirchen geschehen, je-
doch so, daß nicht die Gewissen beschwert werden, so daß sie [solche Ordnungen] für
heilsnotwendig halten und zu sündigen meinen, wenn sie sie ohne Ärgernis ver-
letzen. Wie ja niemand sagen würde, [130] eine Frau sündige, wenn sie sich, ohne
Ärgernis zu erregen, unverhüllten Hauptes in der Öffentlichkeit bewegt.
Solcher Art ist die Beachtung des Sonntags, von Ostern, Pfingsten und ähnlichen
Feiertagen und Riten. Denn wer behauptet, kraft kirchlicher Autorität sei für den Sab-
bat die Sonntagsordnung als notwendig eingesetzt worden, urteilt nicht richtig. Die
Schrift hat den Sabbat aufgehoben, nicht die Kirche. Denn nach der Offenbarung des
Evangeliums können alle mosaischen Zeremonien unterbleiben. Und dennoch, weil es
nötig war, einen bestimmten Tag festzusetzen, damit das Volk weiß, wann es zusam-
menkommen soll, leuchtet es ein, daß die Kirche dafür den Sonntag bestimmt hat, der
auch aus dem Grunde mehr zu gefallen schien, damit die Leute ein Beispiel christli-
cher Freiheit haben und wissen, daß weder der Sabbat noch ein anderer Tag eine not-
wendige Ordnung ist.
Es gibt weitschweifige Erörterungen über die Veränderung des Gesetzes, über die
Zeremonien des neuen Gesetzes
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, über die Veränderung des Sabbats. Sie sind alle
aus der falschen Vorstellung entsprungen, daß es in der Kirche einen Kult ähnlich
dem levitischen geben müsse und daß Christus die Apostel und Bischöfe beauftragt
habe, neue Zeremonien zu erdenken, die heilsnotwendig sein sollten. Diese Irrtümer
schlichen sich in die Kirche ein, als die Glaubensgerechtigkeit nicht klar genug ge-
lehrt wurde. Einige erörtern die Ordnung des Sonntags so, daß sie zwar nicht göttli-
chen Rechts sei, aber doch gewissermaßen göttlichen Rechts. Sie machen über Fest-
tage Vorschriften, inwieweit [an ihnen] zu arbeiten erlaubt sei. Was sind Erörterun-
gen dieser Art anderes als Fallstricke für die Gewissen? Denn obwohl sie die Über-
lieferungen zu mildern versuchen, [131] kann doch niemals Billigkeit erreicht wer-
143 Deutscher Text: „des Neuen Testaments“.
1...,60,61,62,63,64,65,66,67,68,69 71,72,73,74,75,76,77,78,79,80,...549
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