Die Bekenntnisschriften - page 76

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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[Entstehung des Textes]
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Sie aber hatten mir und einigen anderen den Auftrag erteilt, eine Verteidigung des
Bekenntnisses zu verfassen. [CR 420] In ihr sollten der Kaiserlichen Majestät die
Gründe dargelegt werden, weshalb wir die Konfutation nicht annehmen können, und
das entkräftet werden, was die Gegner vorgebracht hatten. Einige der Unseren hatten
nämlich bei der Verlesung die Hauptpunkte der Artikel und Argumente festgehalten.
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Diese Verteidigung übergaben sie zuletzt der Kaiserlichen Majestät, die daraus erse-
hen sollte, daß wir uns aus sehr bedeutenden und gewichtigen Gründen gehindert
sehen, die Konfutation anzunehmen. Aber die Kaiserliche Majestät nahm die ihr
überreichte Schrift nicht an. Später erschien dann ein gewisses Dekret
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, in dem sich
die Gegner rühmen, unser Bekenntnis aus der Schrift widerlegt zu haben.
Hier also, lieber Leser, hast du jetzt unsere Verteidigung
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. [143] Aus ihr kannst du
sowohl ersehen, was die Gegner verurteilt haben (wir haben es nämlich nach bestem
Wissen berichtet), als auch, daß sie einige Artikel gegen das klare Schriftzeugnis des
Heiligen Geistes verworfen haben. Sie sind weit davon entfernt, unsere Sätze durch
die Schrift erschüttert zu haben. Obwohl wir aber zunächst die Apologie in gemein-
samer Beratung mit anderen in Angriff nahmen, so habe ich doch während des Druk-
kes etliches hinzugefügt. Deshalb setze ich meinen Namen dazu, damit niemand
behaupten kann, das Buch sei ohne klare Angabe des Verfassers erschienen.
[Absichten Melanchthons]
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Immer habe ich es so gehalten in diesen Streitfragen, daß ich, so sehr es mir
überhaupt möglich war, die übliche Lehrweise einhielt, damit es einmal leichter zur
Einigung kommen könne. Nicht viel anders verfahre ich auch jetzt, obgleich ich mit
Recht die Zeitgenossen von den Meinungen der Gegner weiter wegführen könnte.
Aber die Gegner behandeln die Sache in einer Weise, die zeigt, daß sie weder Wahr-
heit noch Eintracht suchen, sondern unser Blut saufen wollen. Auch diesmal habe ich
so maßvoll wie möglich geschrieben; sollte etwas zu schroff gesagt erscheinen, so
muß ich hier vorausschicken, daß ich mit den Theologen und Mönchen streite, die die
Konfutation verfaßt haben, nicht mit dem Kaiser oder [CR 421] den Fürsten, die ich,
wie ich es schuldig bin, verehre. Ich habe aber kürzlich die Konfutation zu sehen
bekommen und bemerkt, daß sie so hinterhältig und verleumderisch geschrieben ist,
daß sie auch besonnene Menschen an manchen Stellen täuschen könnte. Dennoch bin
ich nicht auf alle Sticheleien eingegangen; das wäre nämlich eine endlose Arbeit
gewesen. Sondern ich habe die wichtigsten Gründe zusammengefaßt, damit es bei
allen Völkern ein Zeugnis über uns gibt, daß wir richtig und fromm vom Evangelium
Christi denken.
Wir haben keine Freude an der Uneinigkeit. Es ist auch nicht so, daß uns die Ge-
fahr für uns nichts ausmachte, deren Größe wir angesichts des brennenden Hasses,
5 Vor allem der Nürnberger Humanist und Melanchthonfreund Joachim Camerarius; s. o. die Einleitung.
6 Gemeint ist der sehr schroffe Entwurf eines Reichstagsabschiedes vom 22. September 1530.
7 Künftig wie üblich als „Apologie“ bezeichnet.
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