Die Bekenntnisschriften - page 159

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
199
zerschlagen; ich schreie vor Unruhe meines Herzens“ (Ps 38, 9). Und Ps 6 (v. 3 f.):
„Herr, sei mir gnädig, denn ich bin schwach; heile mich, Herr, denn meine Gebeine
sind sehr erschrocken und meine Seele ist sehr erschrocken. Ach du, Herr, wie lange!“
Und Jes 38 (v. 10.13): „Nun muß ich zu des Totenreiches Pforten fahren in der Mitte
meines Lebens. Bis zum Morgen schreie ich um Hilfe; aber er zerbricht mir alle mei-
ne Knochen wie ein Löwe.“ In diesen Schrecken spürt das Gewissen den Zorn Gottes
gegen die Sünde, der den selbstsicheren Menschen, die „nach dem Fleische wan-
deln“ (Röm 8, 4), unbekannt ist. Es sieht die Schändlichkeit der Sünde und empfindet
ernstlich Schmerz darüber, gesündigt zu haben. Und unterdessen flieht es vor dem
schrecklichen Zorn Gottes, weil die menschliche Natur ihn nicht ertragen kann, wenn
sie nicht durch das Wort Gottes getragen wird. So sagt Paulus: „Durchs Gesetz bin
ich dem Gesetz gestorben“ (Gal 2, 19). Denn das Gesetz klagt nur an und erschreckt
die Gewissen. Angesichts dieser Schrecken sagen unsere Gegner [258] nichts über
den Glauben. Nur so führen sie das Wort an, daß es Sünden anklagt. Wenn nur das
mitgeteilt wird, ist es die Lehre des Gesetzes, nicht die des Evangeliums. Durch diese
Schmerzen und Schrecken, so behaupten sie, verdienen die Menschen die Gnade,
wenn [CR 542] sie Gott trotzdem lieben. Aber wie sollen die Menschen Gott in den
wahren Schrecken lieben, wenn sie den furchtbaren und mit Menschenworten nicht
beschreibbaren Zorn Gottes spüren? Was lehren die, die in diesen Schrecken nur das
Gesetz zeigen, anderes als die Verzweiflung?
[Glaube: Aufrichtung des Gewissens durch das Evangelium]
98
Wir fügen deshalb das zweite Stück der Buße hinzu, [nämlich das] vom Glauben an
Christus, [d. h.,] daß den Gewissen in diesen Schrecken das Evangelium von Christus
vor Augen gestellt werden muß, indem umsonst durch Christus die Sündenvergebung
verheißen wird. Sie müssen also glauben, daß
ihnen
selbst um Christi willen umsonst
die Sünden
vergeben werden
. Dieser Glaube richtet auf, hält die Reumütigen aufrecht
und macht sie lebendig, nach jenem Spruch: „Da wir nun gerecht geworden sind
durch den Glauben, haben wir Frieden“ (Röm 5, 1). Dieser Glaube erlangt die Ver-
gebung der Sünden. Dieser Glaube rechtfertigt vor Gott, wie dieselbe Stelle bezeugt:
„Gerechtfertigt aus Glauben.“ Dieser Glaube zeigt den Unterschied zwischen der
Reue des Judas und des Petrus, [der Reue] Sauls und Davids. Deshalb nützt die Reue
des Judas bzw. Saul nichts, weil bei ihr nicht der Glaube hinzutritt, der die um Christi
willen geschenkte Sündenvergebung ergreift. Deshalb nützt die Reue Davids oder des
Petrus, weil bei ihr der Glaube hinzutritt, der die um Christi willen geschenkte Sün-
denvergebung ergreift. Auch ist die Liebe erst dann da, wenn die Versöhnung durch
den Glauben erfolgt ist. Denn das Gesetz wird nicht ohne Christus erfüllt, nach jenem
Wort: „Durch Christus haben wir Zugang zu Gott“ (Röm 5, 2). Und dieser Glaube
wächst allmählich und kämpft das ganze Leben hindurch mit der Sünde, um Sünde
und Tod zu überwinden. Im übrigen folgt dem Glauben die Liebe, wie wir oben
gesagt haben. Und so kann die kindliche Furcht deutlich bestimmt werden als die
mit dem Glauben verbundene Furcht, wo der Glaube tröstet und das furchtsame
1...,149,150,151,152,153,154,155,156,157,158 160,161,162,163,164,165,166,167,168,169,...549
Powered by FlippingBook