Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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nen Zwang auferlegen. Das bezeugen die Worte des Dekrets. Denn sie wollen, daß
sich niemand sorgt, auch wenn die Brüder beim Osterfest den Zeitpunkt nicht richtig
errechnen. Die Worte des Dekrets finden sich bei Epiphanius: „Ihr sollt keine Be-
rechnungen anstellen; sondern wenn eure Brüder aus der Beschneidung das Fest fei-
ern, dann feiert mit ihnen; und sollten sie dabei irren, so soll es euch nicht beunruhi-
gen.
Das seien, schreibt Epiphanius, Worte der Apostel in einem Dekret über das
Osterfest. An ihnen kann ein verständiger Leser leicht erkennen, daß die Apostel das
Volk von der törichten Meinung, ein bestimmter Termin sei notwendig, abbringen
wollten, wenn sie verbieten, sich zu sorgen, auch bei einem Irrtum in der Berech-
nung. Ferner bestehen gewisse Leute im Orient (nach dem Urheber der Lehre werden
sie „Audianer“
genannt) wegen dieses Dekretes der Apostel darauf, das Osterfest
mit den Juden zu halten. Epiphanius weist sie zurück, lobt das Dekret und sagt, es
enthalte nichts, was vom Glauben oder der kirchlichen Regel abweiche. Er tadelt die
Audianer, weil sie das Gesagte nicht richtig verstehen und deutet es in dem Sinne, wie
wir es tun, nämlich, daß die Apostel nicht im Sinn hatten zu sagen, zu welcher Zeit
Ostern gefeiert werden sollte; sondern weil wichtige Brüder von den Juden übergetreten
waren, die ihre Sitte beibehielten, wollten sie, daß die übrigen um der Eintracht willen
ihrem Beispiel folgen. Und weise haben die Apostel den Leser gemahnt, weder die
evangelische Freiheit zu tilgen noch den Gewissen Zwang aufzuerlegen, indem sie hin-
zufügen, man solle sich nicht sorgen, auch bei einem Irrtum in der Berechnung.
Vieles dieser Art könnte aus der Geschichte zusammengetragen werden, woran
deutlich wird, daß die Unterschiede der menschlichen Anordnungen nicht die Einheit
des Glaubens verletzen. Aber was bedarf es [weiterer] Erörterung? Die Gegner be-
greifen überhaupt nicht, was die Glaubensgerechtigkeit, was das Reich Christi ist,
wenn sie meinen, es müsse gleiche Vorschriften bei Speisen, Tagen, Gewändern
[CR 533] und ähnlichem, das kein Gebot Gottes hat, geben. [246] Seht doch die
frommen Menschen, unsere Gegner! Sie fordern zur Einheit der Kirche gleiche
menschliche Vorschriften, obwohl sie selbst die Ordnung Christi zum Empfang des
Abendmahls, die gewiß zuvor eine universale Anordnung gewesen ist, verändert ha-
ben. Wenn [aber] universale Ordnungen notwendig sind, warum verändern sie dann
selbst die Ordnung des Mahles Christi, die nicht menschlich, sondern göttlich ist?
Doch wird zu dieser ganzen Streitfrage weiter unten noch einiges zu sagen sein.
[Art. VIII: Was die Kirche ist]
[Gottlose Lehrer verlassen, aber keine Spaltungen herbeiführen]
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Der achte Artikel ist vollständig anerkannt worden. Wir bekennen in ihm, daß
Heuchler und Böse der Kirche beigemischt und daß die Sakramente auch dann wirk-
sam sind, wenn sie von bösen Dienern verwaltet werden, weil die Diener ihr Amt
76 Epiphanius von Salamis († 403), Arzneikasten gegen Häretiker, Kap. 70, 10.
77 Mönchische Sekte des 4. Jahrhunderts.