Die Bekenntnisschriften - page 161

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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wird nämlich im Evangelium offenbart. Ihr seht, daß auch hier zwei Teile verbunden
werden: die Reue, wenn die Sünden angeklagt werden, und der Glaube, wenn es
heißt: „Glaubt an das Evangelium.“ Wenn jemand hier sagt, Christus meine auch die
Früchte der Buße oder das ganze neue Leben, so widersprechen wir ihm nicht. Denn
es genügt uns, daß diese Hauptteile genannt werden: Reue und Glaube.
Wenn Paulus die Bekehrung oder Erneuerung beschreibt, nennt er fast überall diese
zwei Teile: die Tötung und die Lebendigmachung, wie Kol 2 (v. 11): „In ihm seid ihr
auch beschnitten worden mit einer Beschneidung, die nicht mit Händen geschieht, als
ihr nämlich euer fleischliches Wesen ablegtet.“ Und danach: „Mit ihm seid ihr auch
auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes“ (Kol 2, 12). Hier gibt es zwei
Teile: Der eine ist die völlige Befreiung vom Leib der Sünden; der andere ist die
Auferweckung durch den Glauben. Doch dürfen diese Begriffe (Tötung, Lebendig-
machung, Befreiung vom Leib der Sünden und Auferweckung) nicht platonisch im
Sinne einer [nur] scheinbaren Umwandlung gedeutet werden, sondern der Begriff
„Tötung“ bezeichnet die echten Schrecken, wie sie den Sterbenden begegnen, die die
Natur nicht ertragen könnte, wenn sie nicht durch den Glauben aufgerichtet würde. So
bezeichnet hier „Befreiung vom Leib der Sünden“ das, was wir gewöhnlich Reue
nennen, weil in jenen Schmerzen die natürliche Begierde ausgetrieben wird. Und die
Lebendigmachung [CR 544] darf nicht als platonische Einbildung verstanden wer-
den, sondern als der Trost, der den wirklich trägt, der in der Reue dem Leben ent-
flieht. Es gibt hier also zwei Teile: Reue und Glauben. Denn weil das Gewissen nur
im Glauben Frieden finden kann, deshalb macht allein der Glaube lebendig, nach dem
Wort: „Der Gerechte wird aus Glauben leben“ (Röm 1, 17; Hab 2, 4).
Und dann sagt er den Kolossern, Christus tilge den Schuldschein, der uns durch das
Gesetz entgegengehalten wird (Kol 2, 14). Auch hier gibt es zwei Bestandteile: den
Schuldschein und dessen Tilgung. Der Schuldschein aber ist das Gewissen, das uns
verurteilt und verdammt. Ferner ist das Gesetz das Wort, das die Sünden verurteilt
und verdammt. Diese Stimme also, die – wie David – spricht: [261] „Ich habe ge-
sündigt gegen den Herrn“ (2. Sam 12, 13), ist der Schuldschein. Dieses Wort aber
sprechen gottlose und selbstsichere Menschen nicht mit Ernst aus. Denn sie sehen
nicht, lesen nicht das ins Herz geschriebene Urteil des Gesetzes. In den wahren
Schmerzen und Schrecken nimmt man diesen Spruch wahr. Der Schuldschein ist also
die Reue selbst, die uns verdammt. „Den Schuldschein zu tilgen“ bedeutet,
sich jenes
Verdammungsurteil aus dem Sinn zu schlagen […]
und sich den Spruch einzuprägen,
durch den wir erfahren, daß wir von jener Verdammnis befreit worden sind. Es ist
aber der Glaube jenes neue Urteil, das das frühere Urteil tilgt und dem Herzen Frie-
den und Leben schenkt.
Indessen, wozu muß man viele Zeugnisse anführen, wo sie doch überall in der Hei-
ligen Schrift begegnen? Ps 117: „Der Herr züchtigt mich schwer; aber er gibt mich
dem Tode nicht preis“ (Ps 118, 18). Ps 118: „Ich gräme mich, daß mir die Seele ver-
schmachtet; stärke mich nach deinem Wort“ (Ps 119, 28). Hier ist im ersten Teil die
Reue enthalten. Im zweiten wird klar die Art beschrieben, wie wir in der Reue er-
quickt werden, nämlich durch das Wort Gottes, das uns die Gnade anbietet. Das trägt
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