Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Reu
erfolgt. Und wenn sie wegen der wahren Reue erfolgt, was bedarf es dann der
Absolution, und was bewirkt die Schlüsselgewalt, wenn die Sünde schon vergeben
ist? Hier aber mühen sie sich noch viel mehr und machen die Schlüsselgewalt gottlos
zunichte. Die einen erdichten, durch die Schlüsselgewalt würde nicht Schuld verge-
ben, vielmehr würden die ewigen Strafen in zeitliche verwandelt. So wäre die heil-
bringende Vollmacht nicht ein Dienst [254] des Lebens und des Geistes, sondern nur
einer des Zornes und der Strafen. Andere, Vorsichtigere erdichten, durch die Schlüs-
selgewalt würden die Sünden gegenüber der Kirche vergeben, nicht die gegenüber
Gott. Auch das ist ein verderblicher Irrtum. Denn wenn uns die Schlüsselgewalt nicht
vor Gott tröstet – was soll uns dann noch ein ruhiges Gewissen schenken?
Und folgendes ist noch viel verworrener. Sie lehren, daß wir durch die wahre Reue
die Gnade verdienen. Wenn nun aber jemand fragte, weshalb Saul, Judas und ähnli-
che, die doch schrecklich bereut haben, die Gnade nicht erlangen? Hier wäre vom
Glauben und vom Evangelium [her] zu antworten: Weil Judas nicht geglaubt hat; er
hat sich nicht aufgerichtet durch das Evangelium und die Verheißung Christi. Denn
der Glaube macht den Unterschied zwischen der Reue des Judas und der des Petrus.
Die Gegner aber antworten vom Gesetz [her], daß Judas Gott nicht geliebt, sondern
die Strafen gefürchtet habe. Wann aber wird das erschrockene Gewissen (namentlich
in jenen ernsten, wahren und großen Schrecken, die in den Psalmen und bei den Pro-
pheten beschrieben werden und die gewiß jene erfahren, die [CR 539] sich wirklich
bekehren) entscheiden können, ob es Gott um seiner selbst willen fürchtet oder [aber]
vor den ewigen Strafen flieht? Diese großen Bewegungen können [zwar] mit Buch-
staben und Worten unterschieden werden; in der Sache selbst lassen sie sich [aber]
nicht so trennen, wie diese trefflichen Sophisten sich das erträumen. Wir appellieren
hier an das Urteilsvermögen aller guten und verständigen Leute. Sie werden ohne
Zweifel einräumen, daß die Debatten bei den Gegnern höchst verworren und verwik-
kelt sind. Und doch geht es hier um das größte, das Hauptstück des Evangeliums: die
Vergebung der Sünden. Die ganze Lehre über diese Fragen, die wir genannt haben, ist
bei den Gegnern voller Irrtum und Heuchelei. Und sie verdunkelt die Wohltat Christi,
die Schlüsselgewalt und die Glaubensgerechtigkeit.
[(2) Beichte]
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[255] Das geschieht beim ersten Akt [des Bußsakramentes; d. h. bei der „Reue“]. Was
ist nun aber, wenn man zur Beichte kommt? Wieviel Mühe verwendet man dort auf
die endlose Aufzählung von Sünden, die sich freilich zum größten Teil mit Vergehen
gegenüber menschlichen Gebräuchen befaßt? Und um die frommen Gemüter noch
mehr zu quälen, geben sie vor, diese Aufzählung sei göttlichen Rechtes. Und obwohl
sie diese Aufzählung unter dem Vorwand göttlichen Rechtes fordern, reden sie [doch]
von der Absolution, die wirklich göttlichen Rechtes ist, ganz unbeteiligt. Sie
behaupten, das Sakrament verleihe durch den bloßen Vollzug die Gnade ohne eine
87 Wahre Reue (contritio) aus Liebe zu Gott, im Unterschied zur Reue wegen der Folgen der Sünde (attritio).