Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Nun überlassen wir gern allen tüchtigen Leuten das Urteil über diesen Bußartikel (er
enthält nämlich nichts Dunkles), damit sie verkünden, wer die Gewissen frömmer und
heilsamer belehrt hat – wir oder die Gegner. Dieser Streit in der Kirche macht uns für-
wahr keine Freude. Hätten wir nicht wichtige und zwingende Gründe, den Gegnern zu
widersprechen, so würden wir liebend gern schweigen. Da sie nun aber selbst die of-
fenkundige Wahrheit verdammen, steht es uns nicht frei, uns aus dieser Sache zurück-
zuziehen, die nicht die unsere, sondern die Sache Christi und der Kirche ist.
[Nur Unverstand behauptet, für die Kirchenväter gehöre der Glaube nicht zur Buße]
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[271] Wir haben gesagt, aus welchen Gründen wir die Reue und den Glauben als die
zwei Teile der Buße aufgeführt haben. Und wir haben dies um so lieber getan, weil
viele Aussprüche über die Buße im Umlauf sind, die verstümmelt aus den Kirchenvä-
tern zitiert werden und die die Gegner zur Verdunkelung des Glaubens verdreht ha-
ben. Sprüche dieser Art sind z. B.: „Die Buße besteht darin, vergangene Übeltaten zu
betrauern und die zu betrauernden nicht wieder zu begehen.
Ebenso: „Die Buße ist
eine Art Bestrafung des Bereuenden, der sich selbst straft, weil es ihm leid tut, [die
Übeltat] begangen zu haben.
In diesen Sätzen wird der Glaube nicht erwähnt. Und
nicht einmal in den Schulen wird, wenn sie sie auslegen, etwas vom Glauben hinzu-
gefügt. Deshalb haben wir ihn zu den Teilen der Buße gezählt, damit die Lehre vom
Glauben besser verstanden werden kann. Denn die Sache selbst zeigt, daß jene Wor-
te, die Reue und gute Werke fordern, ohne den rechtfertigenden Glauben zu erwäh-
nen, gefährlich sind. Und verdientermaßen kann man bei denen Klugheit vermissen,
die jene Flickwerke von Sentenzen und Dekreten zusammengetragen haben. Denn
weil die Väter anderswo vom anderen Teil der Buße sprechen, nicht nur über einen
Teil, sondern über beide, d. h. über die Reue und den Glauben, wäre es sinnvoll ge-
wesen, die Sätze zusammenzustellen und zu verbinden.
[CR 553] Denn Tertullian spricht treffend über den Glauben und preist beim Pro-
pheten den Schwur: „So wahr ich lebe, spricht Gott der Herr: ich habe kein Gefallen
am Tode des Gottlosen, sondern daß der Gottlose umkehre von seinem Wege und
lebe“ (Hes 33, 11). Denn weil Gott schwört, daß er den Tod des Sünders nicht will,
zeigt er, daß der Glaube gefordert wird: daß wir dem Schwörenden glauben und fest
darauf vertrauen sollen, daß er uns verzeiht. Groß muß bei uns das Ansehen der gött-
lichen Verheißungen um ihrer selbst willen sein. Doch ist diese Verheißung auch
durch einen Schwur bekräftigt. Wenn daher jemand nicht glaubt, ihm werde verge-
ben, dann leugnet er, daß Gott einen rechten Schwur geleistet hat: eine Gottesläste-
rung, wie sie schlimmer nicht zu denken ist. So nämlich sagt Tertullian: [272] „Er lädt
uns ein durch einen Lohn zum Heil; er schwört sogar. Indem er sagt: ‚Ich lebe‘, will
er, daß man ihm glaubt. O Glückliche, um derentwillen Gott einen Schwur leistet. O
wir Elendsten, wenn wir dem schwörenden Herrn nicht glauben.“
99 Zitat im Decretum Gratiani nach Ambrosius, Predigt 25, 1.
100 Zitat im Decretum Gratiani nach Pseudo-Augustinus, Von der wahren und falschen Buße, Kap. 19, 35.
101 Tertullian († nach 220), Von der Buße, Kap. 4.