Das Augsburger Bekenntnis
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[Schriftbeweis] Wir wollen aber noch einige Schriftzeugnisse hinzufügen. Paulus sagt Röm 3
(v. 24.25): „Wir werden gerechtfertigt umsonst aus seiner Gnade durch die Erlösung, die in
Christus Jesus ist, den Gott vorgestellt hat als Versöhner durch den Glauben in seinem Blut.“
Röm 4 (v. 5): „Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an den, der den Gottlosen
rechtfertigt, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet.“ Eph 2 (v. 8.9): „Aus Gnade seid ihr
gerettet worden durch den Glauben, und das nicht aus euch; denn es ist Gottes Gabe, nicht aus
den Werken, damit sich nicht jemand rühme.“
In diesen und ähnlichen Sätzen lehrt Paulus deutlich, daß uns die Sündenvergebung und
Rechtfertigung umsonst geschenkt wird, nicht wegen der Würdigkeit unserer Werke. Und im
vierten Kapitel des Römerbriefs erörtert er ausführlich, warum uns dieser Trost nötig ist. Wenn
nämlich die Verheißung von der Würdigkeit unserer Werke abhinge, würde sie ungewiß werden.
Damit wir also gegen die Schrecken der Sünde und des Todes einen gewissen und sicheren Trost
haben und der Glaube Fuß fassen kann, ist es notwendig, daß er sich allein auf die Barmher-
zigkeit stützt und nicht auf unsere Würdigkeit. Deshalb sagt Paulus (Röm 4, 16): „Darum aus
Glauben gemäß der Gnade, damit die Verheißung sicher sei.“ Denn wir können dem Gericht
Gottes nicht unsere Werke entgegenstellen, wie geschrieben steht (Ps 130, 3): „So du willst
Sünde zurechnen, wer kann bestehen?“ Darum ist uns der Mittler geschenkt, Christus, und seine
Ehre darf nicht auf unsere Werke übertragen werden.
Wenn wir also sagen: „Wir werden gerecht durch den Glauben“, verstehen wir das nicht so,
daß wir wegen des Wertes dieser Tugend gerecht werden, sondern der Sinn ist der: Wir erlangen
die Vergebung der Sünden und die Zurechnung der Gerechtigkeit durch die Barmherzigkeit um
Christi willen. Diese Barmherzigkeit aber kann nicht anders als durch den Glauben empfangen
werden. [CR 367] Und Glaube bezeichnet hier nicht nur eine Kenntnis der Geschichte [Jesu
Christi], sondern bedeutet, der Zusage der Barmherzigkeit zu glauben, die uns um des Mittlers
Christus willen zuteil wird.
Und da auf diese Weise der Glaube als Vertrauen auf die Barmherzigkeit verstanden wird,
widersprechen sich Jakobus und Paulus nicht. Denn wenn Jakobus (2, 19) sagt: „Die Dämonen
glauben und zittern“, versteht er Glauben als Kenntnis der Geschichte. Die rechtfertigt nicht.
Denn die Geschichte kennen auch die Gottlosen und Teufel. Wenn aber Paulus (Röm 4, 5) sagt:
„Der Glaube wird als Gerechtigkeit gerechnet“, spricht er vom Vertrauen auf die um Christi
willen verheißene Barmherzigkeit. Seine Meinung ist: Die Menschen werden gerecht gespro-
chen, das heißt versöhnt, durch die Barmherzigkeit, nicht wegen eigener Würdigkeit. Aber diese
um Christi willen zugesagte Barmherzigkeit muß durch Glauben angenommen werden. So wer-
den treffliche Gemüter keinen Anstoß mehr an der Ungewohntheit dieser paulinischen Rede-
weise nehmen: „durch Glauben werden wir gerechtfertigt“, wenn sie begreifen, daß eigentlich
von der Barmherzigkeit [Gottes] die Rede ist und diese mit wahrem und notwendigem Lobpreis
geschmückt wird. Denn was kann einem angefochtenen und furchtsamen Gewissen in
seinem
wahren Schmerz willkommener sein, als zu hören, es sei das Gebot Gottes, es sei der Zuruf des
Bräutigams Christus, daß sie als gewiß feststellen sollen, die Sündenvergebung oder Versöhnung
werde nicht wegen unserer Würdigkeit, sondern umsonst wegen der Barmherzigkeit, um Christi
willen geschenkt, damit diese Wohltat gewiß sei. Rechtfertigung bedeutet aber in diesen Sätzen
bei Paulus die Sündenvergebung oder Versöhnung oder Zurechnung der Gerechtigkeit, das heißt
die Annahme der Person.
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Zeugnis der Väter] Damit aber nicht jemand spottet, wir hätten eine neue Paulus-
deutung erdacht: Diese ganze Sache hat die Zeugnisse der Väter für sich! Denn Au-
gustinus verteidigt in vielen Büchern die Gnade und die Glaubensgerechtigkeit gegen
die Verdienste der Werke. Und ähnliches lehrt Ambrosius in „Von der Berufung der
Heiden“ und andernorts. So nämlich sagt er in „Von der Berufung der Heiden“: „Die
Erlösung durch das Blut Christi würde gering geachtet, und es würde nicht der An-
spruch menschlicher Werke der Barmherzigkeit Gottes unterstellt werden, wenn die