Das Augsburger Bekenntnis
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Das [CR 374] ist der übliche und rechtmäßige Weg, um Streitigkeiten in der Kirche zu
schlichten, nämlich kirchliche Streitfragen vor die Synoden zu bringen. Diese Regel hat die
Kirche seit der Zeit der Apostel beachtet. Auch die vortrefflichen Kaiser Konstantin und
Theodosius haben, sogar bei nicht so unklaren Dingen und widersinnigen Lehren, dennoch ohne
Synode nichts festsetzen wollen und die Freiheit der Kirche bei der Beurteilung von Lehren ge-
wahrt. Es ist auch sehr ehrenvoll für den Kaiser, dem Beispiel jener besten Fürsten zu folgen,
zumal auch wir nichts verändert haben ohne das Beispiel der Alten Kirche. Und wir hoffen, daß
dem Kaiser von Gott dieses große Gelingen zur Verbesserung und zum Heil der Kirche gegeben
werde. Gewiß fordert Gott von ihm diesen Dank, daß er seine Macht einsetze zum Ruhm Christi,
zum Frieden der Kirche und zur Abwendung ungeheuerlicher und höchst ungerechter Grausam-
keit, die mit unglaublicher Besessenheit überall gegen die Glieder Christi, gegen fromme und
unschuldige Menschen geübt wird.
Die Sorge für diese großen Angelegenheiten hat Gott den höchsten Fürsten aufgetragen. Des-
halb ruft er die Herrscher auf, ungerechter Macht entgegenzutreten, so wie er Kyrus aufgerufen
hat, das Volk der Juden aus der Gefangenschaft zu befreien. Er hat Konstantin aufgerufen, jene
nicht enden wollenden Grausamkeiten, die damals an den Christen geübt wurden, abzustellen.
So wünschen auch wir, daß der Kaiser die Sorge für die Verbesserung der Kirche übernimmt
und die ungerechten Grausamkeiten abwendet.
Denn unsere Artikel, die wir vorgetragen haben, beweisen zur Genüge, daß wir kein Dogma
gegen die katholische Kirche und keine gottlose oder aufrührerische Meinung lehren oder
billigen, daß vielmehr einige wichtige Artikel der christlichen Lehre von den Unseren gottes-
fürchtig und nützlich erklärt worden sind. Bei äußeren Überlieferungen wurden einige Miß-
bräuche verändert. Wenn darin jetzt auch eine gewisse Verschiedenheit besteht, die Lehre und
der Glaube jedoch rein sind, kann niemand wegen dieser Verschiedenheit bei menschlichen
Überlieferungen für häretisch gehalten werden oder für einen von der katholischen Kirche
Abtrünnigen. Denn die Einheit der katholischen Kirche besteht in der Übereinstimmung der
Lehre und des Glaubens, nicht in menschlichen Überlieferungen, bei denen es immer in den
Kirchen des ganzen Erdkreises eine große Verschiedenheit gab.
Die Kaiserliche Majestät möge auch denjenigen kein Vertrauen schenken, die, um Haß gegen
uns zu erregen, die seltsamsten Schmähungen verbreiten. Sie verkündigen, alle Zeremonien, alle
guten Sitten in den Kirchen würden von uns zerstört. Diese Anschuldigungen sind offenkundig
falsch. Wir nämlich bewahren zum einen die von Gott eingesetzten Zeremonien mit höchster
Ehrfurcht; zum anderen, um die Ehrfurcht vor ihnen zu erhöhen, haben wir nur gewisse neue
Mißbräuche beseitigt, die im Widerspruch zur Schrift, zu den alten Kirchengesetzen und zu den
Vorbildern der Alten Kirche ohne irgendeine sichere Autorität, durch Mißhelligkeit der Zeit
aufgenommen wurden. Zu einem großen Teil sogar werden die alten Riten bei uns sorgfältig
beachtet. Daher bitten wir, die Kaiserliche Majestät möge gnädig anhören, was bei den äußeren
Bräuchen bewahrt und was aus welchem Grunde geändert wurde.
Artikel, in denen über geänderte
Mißbräuche berichtet wird
Die Kirchen bei uns weichen in keinem Glaubensartikel von der katholischen Kirche
ab und unterlassen nur einige wenige Mißbräuche, die neuen Datums sind und gegen
die Absicht kirchlicher Vorschriften durch zeitbedingte Fehlgriffe aufgekommen sind.
Deshalb bitten wir, die Kaiserliche Majestät möge gnädig anhören, was geändert
wurde und aus welchen Gründen das geschah, damit nicht das Volk gezwungen wird,
74 Überschrift der deutschen Textfassung: „Artikel, von welchen Zwiespalt ist, da die Mißbräuche berichtet wer-
den, die geändert sind“.