Das Augsburger Bekenntnis
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den Werken in der Kirche behandelt wurde, darum erinnern unsere [Prediger] die
Kirchen an den Glauben in folgender Weise:
Av
[Neufassung des Artikels:]
[CR 364]
XX.
[Unbegründete Vorwürfe] Wenn uns die Gegner beschuldigen, wir vernachlässigten die Lehre
von den guten Werken, ist das eine offenkundige Verleumdung. Denn es liegen die Bücher der
Unseren vor, in denen sie fromm und nutzbringend von den guten Werken lehren, welche Werke
Gott in jedem Beruf gefallen. Und da in den Kirchen einst ein großes Stillschweigen über die
wichtigen Werke herrschte, nämlich die Übungen des Glaubens und das Lob öffentlicher
Verantwortung
, und weil alle Predigten sich größtenteils im Lob von Menschensatzungen, im
Verherrlichen von Feiertagen, Fasten, Mönchtum, Bruderschaften, Wallfahrten, Heiligendienst,
Rosenkränzen und anderer unnützer Kulte erschöpften, wird jetzt dank der Wohltat Gottes die
Kirche wieder zu den wahren und nützlichen Gottesdiensten, die Gott billigt und fordert, zurück-
gerufen.
Die Propheten beklagen mit ernsten Predigten diesen Schaden der Kirche: Die wahren
Gottesdienste seien ausgelöscht; menschliche Zeremonien und gottloses Vertrauen auf diese
hätten überhand genommen. Und von diesem Irrtum rufen sie die Kirche zu den wahren
Gottesdiensten, zu den wahrhaft guten Werken zurück. Was kann Ernsteres gesagt werden als
jene Predigt im Psalm (50, 1; Vulgata): „Der Gott der Götter, der Herr hat geredet, und er hat
die Erde gerufen.“ Hier predigt Gott dem ganzen Menschengeschlecht, verdammt das Vertrauen
auf die Zeremonien und stellt andere Gottesdienste vor Augen. Und er gibt seinem schrecklichen
Zorn Ausdruck über die, die in der Kirche auf solche Weise Zeremonien verkündigen, daß die
wahren Gottesdienste zugrunde gehen. Viele ähnliche Predigten gibt es bei den Propheten, wie
Jesaja 58, Sacharja 7 und Micha 6. Und Hosea (6, 6) ruft: „Barmherzigkeit will ich und nicht
Opfer; Erkenntnis Gottes ist mir lieber als Brandopfer.“
Auch ist nicht unbekannt, daß viele treffliche und gelehrte Männer schon vor dieser Zeit
Verlangen getragen haben nach einer besseren Lehre von der Tröstung der Gewissen und der
Unterscheidung der Werke. Denn es muß in der Kirche beide Lehren geben: nämlich das
Evangelium vom Glauben zur Unterweisung und Tröstung der Gewissen; auch muß vorgetragen
werden, was die wahrhaft guten Werke, was die wahren Gottesdienste sind.
Aber die Gegner können erstens, weil sie die Lehre vom Glauben verderben, [CR 365] den
Gewissen keinen festen Trost vor Augen stellen. Sie lassen nämlich an der Sündenvergebung
zweifeln. Und doch fordern sie danach, durch eigene Werke Vergebung zu suchen, und fügen
dichtend das Mönchtum und andere Werke hinzu. Sodann heben sie auch die wahren Gottes-
dienste auf, denn man treibt den Seelen, die nicht durch das Vertrauen auf Christus gestärkt
sind, die Anrufung [Gottes] und andere geistliche Übungen aus. Außerdem gefallen Gott auch
nicht die Werke der zweiten Tafel [des Gesetzes], wenn nicht der Glaube hinzutritt, daß um
Christi willen dieser angefangene und unvollkommene Gehorsam [Gott] gefällt. Drittens ver-
dunkeln sie die von Gott gebotenen Werke und ziehen bei weitem die menschlichen Überlie-
ferungen vor. Diese schmücken sie mit überaus glänzenden Titeln und nennen sie „evangelische
Vollkommenheit“. Indessen reden sie von den beruflichen Pflichten, der politischen Verant-
wortung, der Ehe so frostig, daß viele ehrenwerte Männer gezweifelt haben, ob diese Art des
Lebens Gott gefallen könne. Deshalb haben unsere Prediger mit gutem Eifer beiderlei Lehre ins
Licht gerückt: Sie stellen das Evangelium vom Glauben dar und fügen die gottgefällige Lehre
von den Werken hinzu.
59 Wörtlich: „… das Lob politischer Werke“.