Das Augsburger Bekenntnis
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Dieses neue Leben also soll Gehorsam gegen Gott sein. Auch das Evangelium predigt Buße
(Lk 24, 47). Und der Glaube kann nur in denen bestehen, die Buße tun, weil der Glaube in der
Reue und den Schrecken der Sünde die Herzen tröstet, wie Paulus lehrt (Röm 5, 1): „Gerechtfertigt
durch den Glauben haben wir Frieden.“ Und von der Buße sagt er Römer 6 (v. 6): „Unser alter
Mensch ist mit ihm gekreuzigt, damit der Leib der Sünde vergeht und wir nicht mehr der Sünde
dienen.“ Auch Jesaja sagt: „Wo wird der Herr wohnen? In einem zerschlagenen und demütigen
Geist“ usw. (Jes 57, 15; 66, 1 f.).
Zweitens: Unter den guten Werken ist das wichtigste und die höchste Gottesverehrung der
Glaube selbst. Er bringt viele andere Tugenden hervor, die nicht entstehen können, wenn nicht
zuvor die Herzen den Glauben empfangen haben. Paulus sagt nämlich (Röm 10, 14): „Wie
sollen sie anrufen, wenn sie nicht glauben?“ Solange die Menschen zweifeln, ob sie von Gott
erhört werden, solange sie meinen, sie würden von Gott verworfen, rufen sie nicht wirklich Gott
an. Wenn wir aber durch den Glauben die Barmherzigkeit erkennen, nehmen wir Zuflucht bei
Gott, Iieben wir, rufen wir an, hoffen wir, erwarten wir Hilfe und üben Gehorsam in
Bedrängnissen, weil wir jetzt wissen, daß wir Söhne [Gottes] sind und unser Opfer und unsere
Bedrängnisse Gott gefallen. Diese Arten der Gottesverehrung bringt der Glaube hervor. Sehr
deutlich sagt daher Ambrosius: „Der Glaube ist die Mutter des guten Willens und gerechten
Handelns.“
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Unsere Gegner wollen die Lehre von den guten Werken großartig ausschmücken. Und doch
sagen sie nichts von diesen geistlichen Werken: vom Glauben, von der Betätigung des Glau-
bens in der Anrufung, in allen Obliegenheiten des Lebens, bei Beratungen und in Gefahren.
Man kann ja auch über solche Betätigung nichts richtig sagen, wenn die Gewissen im Zweifel
belassen werden, wenn sie nicht wissen, daß Gott Glauben verlangt als den wichtigsten
Gottesdienst. Und wenn sich jener ungeheure Glanz äußerer Werke über die Augen ergießt,
dann wird der noch nicht genügend unterrichtete Sinn abgelenkt vom Achten auf jene inneren
Tätigkeiten.
Es müssen aber in der Kirche die Menschen über diese inneren Werke und Früchte des
Geistes unterrichtet werden. Denn diese Werke machen den Unterschied zwischen Frommen und
Heuchlern aus. Äußere Übungen, äußere Zeremonien und andere äußere Werke können auch
Heuchler verrichten. Aber diese Gottesdienste sind nur der wahren Kirche eigen: wahre Buße,
[Gottes-]Furcht, Glaube, Anrufung usw. Vor allem diese Gottesdienste werden in der Schrift
gefordert und gelobt, wie im 49. Psalm geschrieben steht: „Opfere Gott das Lobopfer“, „Rufe
mich an in der Not“ (Ps 50, 14 f.).
[CR 369] Drittens: Und durch diesen Glauben, der die Herzen in der Buße tröstet, empfangen
wir den Heiligen Geist, der gegeben wird, daß er uns leite und helfe, damit wir der Sünde und
dem Teufel widerstehen können, daß wir mehr und mehr unsere Schwachheit erkennen und daß
Gotteserkenntnis, Furcht und Glaube in uns wachsen. Darum muß in uns der Gehorsam gegen
Gott und das neue Leben wachsen, so wie Paulus lehrt, daß wir uns „erneuern müssen zur
Erkenntnis Gottes“, damit in uns neues Licht hervorgebracht werde und „das Bild dessen, der
uns geschaffen hat“ usw. (Eph 4, 23; Kol 3, 10).
[Gehorsam, der Gott gefällt] Viertens: Wir lehren auch, wann dieser angefangene Gehorsam
Gott gefällt. Denn bei so großer Schwachheit und Unreinheit ihrer Natur tun die Heiligen dem
Gesetz nicht genug. Die Frommen haben also Trost nötig, damit sie wissen, auf welche Weise
dieser schwache und unvollkommene Gehorsam Gott gefällt. Er gefällt nämlich nicht deshalb,
weil er dem Gesetz genugtut, sondern weil die Personen versöhnt und gerecht sind um Christi
willen und glauben, daß ihnen die Schwachheit vergeben wird. So lehrt Paulus (Röm 8, 1): „Nun
gibt es keine Verdammnis für die, die in Christus sind.“ Obgleich also dieser neue Gehorsam
weit entfernt ist von der Vollkommenheit des Gesetzes, ist er dennoch Gerechtigkeit und verdient
Lohn deshalb, weil die Personen versöhnt sind. Und so muß auch über die Werke geurteilt
werden: Sie sind mit höchstem Lob zu schmücken, weil sie notwendig sind, weil sie Gottesdienst
und geistliche Opfer sind und Lohn verdienen.
Gleichwohl aber muß zuvor im Blick auf die Person dieser Trost festgehalten werden, der im
Kampf des Gewissens nötig ist: daß wir durch den Glauben umsonst die Vergebung der Sünden
haben und daß die Person gerecht, das heißt versöhnt und Erbe des ewigen Lebens um Christi
willen ist; daß danach wirklich der Gehorsam gefällt, gemäß dem Wort: „Nun seid ihr nicht
unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade“ (Röm 6, 14). Unsere Werke können nicht dem Zorn
und Gericht Gottes entgegengestellt werden, sondern die Schrecken der Sünde und des Todes