Das Augsburger Bekenntnis
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sind zu besiegen durch das Vertrauen auf den Mittler Christus, wie geschrieben steht (Hos 13, 14;
Vulgata): „O Tod, ich werde dein Tod sein.“ Und Johannes 6 (v. 40) sagt Christus: „Das ist der
Wille des Vaters, der mich gesandt hat, daß jeder, der den Sohn sieht und glaubt an ihn, das
ewige Leben hat.“ Und Paulus (Röm 5, 1): „Gerecht geworden durch den Glauben, haben wir
Frieden.“ Auch betet die Kirche immer: „Vergib uns unsere Schuld“ (Mt 6, 12).
Und so lehren über die Schwachheit der Heiligen und über den Glauben selbst auch die
Kirchenväter. Augusti
sagt in der Auslegung von Psalm 30 (31, 2: „In deiner Gerechtigkeit
errette mich“): „Denn wenn du auf meine Gerechtigkeit blickst, verdammst du mich: ,In deiner
Gerechtigkeit errette mich‘. Es handelt sich nämlich um die Gerechtigkeit Gottes, die auch die
unsere wird, wenn sie uns geschenkt wird. Darum wird sie auch Gerechtigkeit Gottes genannt,
damit niemand meint, er habe die Gerechtigkeit von sich selbst. So nämlich sagt auch der
Apostel Paulus (Röm 4, 5): ,Dem, der an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt‘, [CR 370]
das heißt, der aus dem Gottlosen einen Gerechten macht. Wenn er etwa auf Grund der
dargelegten Regel des Gesetzes handeln würde, müßte der Sünder verdammt werden. Wenn er
nach dieser Regel verfahren würde, wen würde er freisprechen? Alle nämlich trifft er als Sünder
an. Dies sagt der Apostel (Röm 3, 23): ,Alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhmes bei
Gott.‘ Was heißt, sie ermangeln des Ruhmes bei Gott? Daß er selbst befreit, nicht du. Weil du
nicht befreien kannst, bedarfst du des Befreiers. Was heißt, daß du dich rühmst? Was heißt, daß
du vom Gesetz auch die Gerechtigkeit erwartest? Siehst du nicht, was innerlich bei dir im Kampf
liegt? Hörst du nicht den, der da kämpft und bekennt und nach Hilfe im Kampf verlangt? ,Ich
elender Mensch!‘ (Röm 7, 24) usw.“
Ohne Mühe ist auch festzustellen, daß diese Lehre für die Kirche notwendig ist, damit die
Menschen wissen, daß sie dem Gesetz nicht Genüge tun und doch den Trost haben, auf welche
Weise dieser unvollkommene Gehorsam [Gott] gefällt. Diese Lehre haben einst abwegige
Vorstellungen schrecklich verschüttet, mit denen ungelehrte Leute entgegen der Autorität der
Schrift und der Alten Kirche vorgaben, die Menschen könnten dem Gesetz Gottes Genüge tun,
desgleichen: sie seien gerecht wegen der Erfüllung des Gesetzes usw. Auch seien die Mönche
vollkommen und würden mehr und vortrefflichere Werke verrichten, als das Gesetz Gottes
verlangt. Dabei herrschte tiefstes Schweigen darüber, auf welche Weise durch den Glauben der
Mittler Christus zu ergreifen sei. Statt dessen gebot man zu zweifeln oder auf die eigenen Werke
zu vertrauen.
Im übrigen lehren wir auch über diesen Gehorsam, daß die, die Todsünden begehen, nicht
gerecht sind. Denn Gott fordert diesen Gehorsam so, daß wir den schlechten Neigungen
widerstehen sollen. Diejenigen aber, die sie nicht bekämpfen, sondern ihnen, Gottes Gebot
zuwider, gehorchen, sind Ungerechte und behalten weder den Heiligen Geist noch den Glauben,
das heißt, die Zuversicht auf [Gottes] Barmherzigkeit. Denn in denen, die sich an den Sünden
ergötzen und nicht Buße tun, kann es auch kein Vertrauen geben, das die Vergebung der Sünden
sucht.
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Wie geschehen gute Werke?] Daraus erhellt ohne weiteres, daß diese Lehre nicht
beschuldigt werden darf, sie verhindere gute Werke, sondern viel mehr Lob verdient,
weil sie zeigt, wie wir gute Werke tun können. Denn ohne Glauben kann die mensch-
liche Natur auf keine Weise die Werke des ersten oder zweiten Gebotes tun. Ohne
Glauben ruft sie nicht Gott an, erhofft nichts von Gott, erträgt nicht das Kreuz, son-
dern verlangt nach menschlichen Hilfsmitteln und setzt ihr Vertrauen auf sie. So herr-
schen im Herzen alle Begierden und menschlichen Berechnungen, wenn Glaube und
Vertrauen auf Gott fehlt. Deshalb auch sagt Christus: „Ohne mich könnt ihr nichts
tun“, Joh 15, 5. Und die Kirche singt [das Lied]:
„Ohne dein Dabeisein / gibt es nichts im Menschen,/ nichts, was ohne Schuld ist.“
65 Augustinus: Enarrationes in Psalmos [Kommentare zu den Psalmen], zu Ps 31, 2.
66 Aus dem Pfingstlied „Veni creator spiritus“. Im deutschen Text fehlt der Satz mit dem Liedzitat.