Die Bekenntnisschriften - page 32

Das Augsburger Bekenntnis
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[Wie geschehen gute Werke?] Fünftens: Auch das ist nötig zu lehren, auf welche Weise die
Menschen gute Werke verrichten können. Eben wurde gesagt, inwiefern sie Gott gefallen; jetzt
fügen wir auch hinzu, wie sie geschehen können. Obwohl nämlich die Menschen aus eigenen
Kräften äußere ehrenhafte Werke irgendwie verrichten können und dieser Ordnung Genüge tun
sollen, sind sie doch ohne Glauben in der Gewalt des Teufels, der sie zur offenen Schändlichkeit
treibt und ihre Herzen mit gottlosen und gotteslästerlichen Gedanken besetzt. Das nämlich ist
das Reich und die Zwingherrschaft des Teufels. Zudem ist die Natur in sich selbst schwach und
kann sich nicht ohne Gottes Hilfe aufrichten und geistliche Werke tun.
Deshalb lehrt man die Menschen, daß im Evangelium der Heilige Geist verheißen wird, der
den Herzen derer, die Buße tun und dem Evangelium zustimmen, beisteht und sie leitet. Daher
muß man im ganzen Leben, bei solcher Schwachheit der Natur, zwischen diesen Hinterhalten
des Teufels, in allen Gefahren den Glauben mit der Anrufung [Gottes] in Übung bringen, damit
wir im Glauben und im Gehorsam gegen Gott beharren können. [CR 371] Deshalb sagt
Sacharja (12, 10): „Ich will über das Haus David und über die Bürger Jerusalems den Geist der
Gnade und des Gebets ausgießen.“ Deshalb nämlich nennt er ihn den Geist der Gnade, weil der
Heilige Geist die tief erschrockenen Gemüter aufrichtet und tröstet und uns bezeugt, daß wir
einen versöhnten Gott haben. Und er nennt ihn den Geist des Gebets, damit wir ständig den
Glauben mit der Anrufung in Übung bringen, so daß der Glaube durch dieses Bewegen gestärkt
wird und das neue Leben zunimmt.
Die wahren Tugenden sind auch ganz ohne Zweifel Gaben Gottes: der Glaube, das
einsichtsvolle Urteil beim Unterscheiden von Lehren, Größe der Gesinnung, wie sie bei denen
nötig ist, die das Evangelium predigen und bekennen, echte Sorgfalt bei der Leitung der Kir-
chen, wahre Demut, kein Streben nach Macht, kein Wankendwerden durch Gunst oder Haß beim
Volk, wahre Keuschheit usw.
Solche hohen Tugenden nennt Paulus Gaben Gottes, Römer 12 (v. 6): „Sie haben mancherlei
Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist.“ Von ihnen spricht er auch im Brief an die
Korinther: „Dies wirkt derselbe eine Geist, der jedem einzelnen zuteilt“ usw. (1. Kor 12, 11). Zu
diesen Gaben aber muß hinzukommen unsere Einübung, die sie sowohl bewahrt als auch ihr
Wachsen verdient nach jenem Wort: „Wer da hat, dem wird gegeben werden“ (Mt 13,12; 25, 29).
Auch Augustin hat sehr deutlich gesagt: „Liebe erwirbt einen Zuwachs an Liebe, nämlich dann,
wenn sie ausgeübt wird. Denn gute Werke haben ihren Lohn sowohl in diesem Leben als auch
danach im ewigen Leben. Weil nämlich die Kirche in diesem Leben dem Kreuz und dem leib-
lichen Tod unterworfen ist, wird der größte Teil des Gewinns aufgehoben zum zukünftigen Le-
ben. Auch wenn er gewiß aus Barmherzigkeit um Christi willen denen widerfährt, die durch das
Vertrauen auf Christus gerechtfertigt sind, gibt es doch auch einen Ausgleich für die guten
Werke nach jenem Wort (Lk 6, 23): ,Euer Lohn ist groß im Himmel.‘
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Daraus geht klar genug hervor, daß dank Gottes Wohltat die Lehre von den guten Werken in
unseren Kirchen gottgefällig und richtig gelehrt wird. Wie groß einst die Finsternis war, welche
Verwirrung es in der Lehre von den guten Werken gab, das wissen Gutgesinnte zur Genüge.
Niemand erinnerte an die Unterscheidung zwischen menschlichen Traditionen und dem göttli-
chen Gesetz. Niemand lehrte, auf welche Weise die guten Werke in unserer großen Schwachheit
[Gott] gefallen würden. Überhaupt herrschte tiefstes Schweigen über den Glauben, der bei der
Vergebung der Sünden nötig ist. Aber nachdem nun diese Dinge erklärt worden sind, haben die
frommen Gewissen Trost und gewisse Hoffnung auf das Heil; sie verstehen die wahren Gottes-
dienste und wissen, auf welche Weise sie verdienstlich sind.
67 Augustinus, Sermon 271: Über die Liebe.
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