Die Schmalkaldischen Artikel
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die Messe fast nur für die Toten gefeiert worden ist, obgleich Christus dieses
Sakrament doch nur für die Lebenden gestiftet hat. Darum ist das Fegfeuer mit allem
seinem Zeremoniell, Gottesdienst und Geschäft für ein reines Teufelsgespenst zu
halten. Denn es ist auch wider den Hauptartikel, daß allein Christus und nicht Men-
schenwerk den Seelen helfen soll, abgesehen davon, daß uns im übrigen auch nichts
in bezug auf die Toten befohlen oder geboten ist. Deshalb kann man es wohl unter-
lassen, wenn es schon kein Irrtum und keine Abgötterei wäre.
Die Papisten führen hier Augustinus und einige Kirchenväter als Beweis an, die
über das Fegfeuer geschrieben haben sollen
und meinen, wir sehen nicht, wozu und
warum sie diese Aussagen anführen. Sankt Augustinus schreibt nicht, daß es ein
Fegfeuer gibt, er hat auch keine Schriftstelle, die ihn dazu zwingt. Er läßt es vielmehr
unentschieden, ob eins ist, und sagt nur, seine Mutter habe begehrt, daß man ihrer bei
dem Altar bzw. Sakrament gedenke
Nun, das ist ja alles nichts anderes als eine
menschliche Vorstellung einzelner Personen gewesen, die keinen Glaubensartikel
stiften, was allein Gott zusteht. Aber unsere Papisten legen solche Menschenworte
dahin aus, daß man ihrem schändlichen, lästerlichen, verfluchten Jahrmarkt von
Seelenmessen, für das Fegfeuer zu opfern usw. glauben soll. Das werden sie noch
lange nicht aus Augustinus beweisen. Wenn sie nun den fegfeuerischen Messejahr-
markt, wovon Sankt Augustinus nie geträumt hat, abgeschafft haben, dann wollen wir
mit ihnen reden, ob Sankt Augustinus’ Wort ohne Schriftstelle geduldet werden und
der Toten bei dem Sakrament gedacht werden kann. Es geht nicht an, daß man aus der
heiligen Väter Werk oder Worte Glaubensartikel macht. Sonst müßte auch ein
Glaubensartikel werden, was sie für Speisen, Kleidung, Häuser usw. gehabt haben,
wie man mit den Reliquien getan hat. Es heißt, Gottes Wort soll die Glaubensartikel
aufstellen und sonst niemand, auch kein Engel (Gal 1, 8).
Zweitens
ist daraus gefolgt, daß die bösen Geister viele Schandtaten angerichtet
haben, indem sie als Menschenseelen erschienen sind, Messen, Vigilien, Wallfahrten
und andere Leistungen mit unsagbaren Lügen und Arglist gefordert haben. Das haben
wir alle für Glaubensartikel halten und danach leben müssen. Und der Papst hat dies
bestätigt, wie auch die Messe und alle anderen Greuel. Hier gibt es auch kein
Weichen oder Nachgeben.
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Drittens die Wallfahrten:
Da hat man auch Messen, Vergebung der Sünden und
Gottes Gnade gesucht; denn die Messe hat alles regiert. Nun ist das ja gewiß, daß
solche Wallfahrten ohne Gottes Wort uns nicht geboten, auch nicht vonnöten sind,
weil wir es viel besser haben können und sie ohne jede Sünde und Gefahr unterlassen
können. Warum mißachtet man denn daheim den eigenen Pfarrer, Gottes Wort, Frau
und Kind usw., die notwendig und geboten sind, und läuft den unnötigen, unge-
wissen, schädlichen Teufelsirrlichtern nach, nur weil der Teufel den Papst geritten
hat, dies zu preisen und zu bestätigen, damit die Leute ja häufiger von Christus weg
22 Augustinus, Enchiridion [Lehrbuch] an Laurentius, oder vom Glauben, von der Hoffnung und der Liebe,
Kap. 69.
23 Augustinus, Bekenntnisse, Buch 9, Kap. 11.13.