Die Bekenntnisschriften - page 280

Die Schmalkaldischen Artikel
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bereitet würden, die Gnade zu empfangen und die Vergebung der Sünden von ihm zu
erwarten und anzunehmen. So sagt auch Christus selbst Lk 24 (v. 47): „Man muß in
meinem Namen in aller Welt Buße und Vergebung der Sünden predigen.“
Wo aber das Gesetz allein diese Aufgabe wahrnimmt, ohne das Hinzufügen des
Evangeliums, da sind der Tod und die Hölle. Und der Mensch muß verzweifeln wie
Saul und Judas, wie Sankt Paulus sagt (Röm 7, 10): „Das Gesetz tötet durch die Sün-
de.“ Andererseits gibt das Evangelium nicht nur auf eine Art Trost und Vergebung,
sondern durch das Wort, das Sakrament und dergleichen, wie wir hören werden,
damit ja die Erlösung reichlich sei bei Gott (wie Ps 130, 7 sagt) wider die große
Gefangenschaft der Sünde.
Jetzt aber müssen wir die falsche Buße der Sophiste
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gegen die rechte Buße
halten, damit sie beide desto besser verstanden werden.
Die falsche Buße der Papisten
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Es war unmöglich, daß sie recht von der Buße lehren konnten, weil sie die rechte
Sünde nicht erkannten. Denn sie denken über die Erbsünde (wie oben gesagt) nicht
richtig, sondern sagen, die natürlichen Kräfte des Menschen seien ganz und unver-
dorben geblieben, die Vernunft könne richtig belehren und der Wille könne danach
richtig handeln, so daß Gott gewiß seine Gnade gibt, wenn ein Mensch tut, soviel er
entsprechend seinem freien Willen vermag.
Hieraus mußte folgen, daß sie allein für die Tatsünden Buße taten, wie böse
Gedanken, in die sie eingewilligt hatten. Denn böse Regungen, Begierde und Anrei-
zen zum Bösen galten nicht als Sünden, [nur] böse Worte, böse Werke, die der freie
Wille gut hätte unterlassen können.
Und für diese Buße setzten sie drei Teile fest: Reue, Beichte und Genugtuung, mit
dieser Vertröstung und Zusage: Wenn der Mensch richtig bereut, beichtet und genug-
tut, hat er damit die Vergebung verdient und die Sünde vor Gott bezahlt. So unterwie-
sen sie die Leute, sich in ihrer Buße auf die eigenen Werke zu verlassen. Von daher
kam das Wort auf der Kanzel, wenn man die allgemeine Beichte dem Volk vorsprach:
„Erhalte mir, Herr Gott, mein Leben, bis ich für meine Sünden Buße getan und mein
Leben gebessert habe.“
Hier war kein Christus und [wurde] nichts vom Glauben erwähnt, sondern man
hoffte, mit eigenen Werken die Sünde vor Gott zu überwinden und zu tilgen. In dieser
Absicht wurden wir auch Priester und Mönche, daß wir selbst der Sünde entge-
genwirken wollten.
Mit der
Reue
verhielt es sich folgendermaßen: Weil niemand sich auf alle seine Sün-
den besinnen konnte – zumal auf die in einem ganzen Jahr begangenen –, fanden sie
folgenden Ausweg: Wenn die unbewußten Sünden nachträglich bewußt wurden, mußte
man sie auch bereuen und beichten usw. Bis dahin waren sie der Gnade Gottes befohlen.
35 Abfällige Bezeichnung für scholastische Theologen.
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