Die Bekenntnisschriften - page 266

Die Schmalkaldischen Artikel
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Vorrede D. Martin Luthers
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Papst Paul III. hat ein Konzil ausgeschrieben, das im vergangen Jahr zu Pfingsten in
Mantua gehalten werden sollte und das er danach von Mantua verlegt hat, so daß man
noch nicht weiß, wohin er es legen will oder kann. Wir unsererseits sollten Vorsorge
treffen für den Fall, daß wir – entweder auch zum Konzil gerufen oder ungerufen –
verdammt werden. Darum wurde mir befohlen,
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Artikel unserer Lehre aufzustellen
und zusammenzubringen für den Fall, daß es zu Verhandlungen kommt, worin und
wieweit wir den Papisten nachgeben wollen und können und auf welche Artikel wir
für immer zu beharren und zu bleiben gedenken.
Dementsprechend habe ich diese Artikel zusammengebracht und den Unseren über-
geben. Diese sind auch von den Unseren angenommen und einmütig bejaht und
beschlossen worden, daß man sie öffentlich übergeben und als Bekenntnis unseres
Glaubens vorbringen soll, wenn der Papst einmal mit den Seinen so kühn werden
sollte, ohne Lügen und Betrügen, mit Ernst und wahrhaftig ein rechtes freies Konzil
abzuhalten, wie er es wohl schuldig wäre. Aber der römische Hof fürchtet sich so
abscheuerregend vor einem freien Konzil und flieht das Licht so schmachvoll, daß er
auch denen, die zu seiner Partei gehören, die Hoffnung genommen hat, daß er je ein
freies Konzil dulden oder gar selbst abhalten wird. Darüber ärgern sie sich
billigerweise sehr und empfinden eine nicht geringe Belastung. Denn sie merken
daran, daß der Papst lieber die ganze Christenheit verloren und alle Seelen verdammt
sehen will, als sich oder die Seinen ein wenig reformieren und seiner Tyrannei ein
Maß setzen zu lassen.
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Trotzdem habe ich diese Artikel durch einen öffentlichen Druck an den Tag bringen
wollen, falls ich eher sterben sollte, als das Konzil gehalten wird. Ich sehe sicher
voraus und erwarte, daß es stattfinden wird, weil die das Licht fliehenden und den
Tag scheuenden verworfenen Menschen nur mit beklagenswerten Anstrengungen
erreichen können, das Konzil aufzuschieben und zu verhindern. So können diejeni-
gen, die nach mir leben und bleiben werden, mein Zeugnis und Bekenntnis zur
Bestätigung des Bekenntnisses vorbringen, das ich bereits habe ausgehen lassen
,
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bei
dem ich auch bisher noch mit Gottes Gnade geblieben bin und bleiben will. Denn was
soll ich sagen? Warum soll ich klagen? Ich bin noch am Leben, schreibe, predige und
halte Vorlesungen täglich. Dennoch befinden sich solche Geist und Seele
vergiftenden Leute nicht nur unter den Widersachern, sondern auch falsche Brüder,
die zu unserer Partei gehören wollen. Sie unterstehen sich, meine Schriften und Lehre
1 Kurfürst Johann Friedrich hatte am 11. Dezember 1536 Luther und die übrigen Wittenberger Theologen aufge-
fordert, Fragen der Lehre im Hinblick auf das Konzil zu behandeln.
2 Luther meint den Schlußteil seiner Schrift „Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis“ von 1528.
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