Der Große Katechismus
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ten und so vermessen sind zu geloben, ewig enthaltsam zu sein, und darüber hinaus
die einfachen Leute mit lügenhaften Worten und Schein betrügen. Denn niemand hat
so wenig Liebe und Lust zur Enthaltsamkeit als eben die, die den Ehestand aus zu
großer Heiligkeit meiden und entweder öffentlich und schamlos in Hurerei liegen
oder es heimlich noch ärger treiben, so daß man es nicht zu sagen wagt, wie man lei-
der allzu oft erfahren hat. Und kurz gesagt, selbst wenn sie sich der Tat enthalten,
stecken sie doch im Herzen voll unkeuscher Gedanken und böser Lust, so daß da ein
ewiges Brennen und heimliches Leiden ist, welches man im ehelichen Leben umge-
hen kann. Darum ist durch dieses Gebot das Gelübde, ehelos keusch zu leben, ver-
dammt und aufgehoben. Und allen armen, gefangenen Gewissen, die durch ihr Klo-
stergelübde betrogen worden sind, ist geboten, daß sie aus dem unkeuschen Stand ins
eheliche Leben treten, angesichts dessen, daß, selbst wenn das Klosterleben sonst
göttlich wäre, es doch nicht in ihrer Kraft steht, Keuschheit zu bewahren. Wenn sie
aber darin bleiben, müssen sie noch mehr und weiter gegen dieses Gebot sündigen.
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So etwas sage ich nun deshalb, damit man die jungen Leute dazu bewege, daß sie
Lust zur Ehe bekommen und wissen, daß sie ein selig zu preisender Stand ist und
Gott gefällt. Denn damit könnte man es mit der Zeit wiederum dahin bringen, daß er
wieder zu seinen Ehren käme und das schmutzige, wüste, unordentliche Wesen ab-
nehmen würde, das sich jetzt überall in der Welt breit macht mit öffentlicher Prosti-
tution und anderen schändlichen Lastern, die sich aus der Verachtung des ehelichen
Lebens ergeben haben. Darum sind hier die Eltern und die Obrigkeit auch verpflich-
tet, auf die Jugend zu achten, daß man sie zu Anstand und Ehrbarkeit erziehe und sie,
wenn sie erwachsen sind, mit Gott und Ehren verheirate. Dazu würde er seinen Segen
und seine Gnade geben, so daß man seine Lust und Freude daran hätte.
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Aus dem allen sei nun abschließend gesagt, daß dieses Gebot nicht nur fordert, daß je-
dermann mit Werken, Worten und Gedanken keusch lebe in seinem, das heißt meistens
im ehelichen Stand, sondern auch seinen Ehepartner, von Gott gegeben, lieb und wert
halte. Denn wo eheliche Keuschheit gehalten werden soll, da müssen Mann und Frau
vor allen Dingen in Liebe und Eintracht beieinander wohnen, so daß einer den anderen
von Herzen und mit aller Treue liebt. Denn dies gehört zum allerwichtigsten, das Liebe
und Lust macht zur Keuschheit. Wo dies in Übung ist, wird auch Keuschheit ohne alles
Gebieten von selbst folgen. Deshalb ermahnt auch Sankt Paulus so fleißig die Eheleute,
daß einer den anderen liebe und ehre (Eph 5, 22.25; Kol 3, 18 f.). Da hast du nun aber-
mals ein köstliches, ja viele und große gute Werke, die du fröhlich rühmen kannst ge-
gen alle geistlichen Stände, die man ohne Gottes Wort und Gebot gewählt hat.
Das siebte Gebot
Du sollst nicht stehlen.
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Nach deiner Person und deinem Ehepartner ist das zeitliche Gut das nächste. Das will
Gott auch bewahrt haben und hat geboten, daß niemand dem Nächsten das Seine
wegnimmt oder verringert. Denn stehlen heißt nichts anderes, als eines anderen Gut