Der Große Katechismus
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So soll es auch allen anderen ergehen, die den offenen, freien Markt zu einem Schind-
anger und Raubhaus machen, wo man täglich die Armen übervorteilt und neue Be-
schwerung und Teuerung macht. Und jeder gebraucht den Markt willkürlich, ist dazu
trotzig und hochnäsig, als könne er mit Fug und Recht das Seine so teuer verkaufen,
wie er Lust hat, und niemand dürfe ihm dreinreden. Denen wollen wir wahrlich zuse-
hen, sie herausschinden, abzwacken und geizen lassen, aber Gott vertrauen. Der wird
ohnehin, wenn du lange genug herausgeschunden und zusammengescharrt hast, einen
„Segen“ darüber sprechen, daß dir dein Korn auf dem Boden, dein Bier im Keller und
dein Vieh im Stall verdirbt. Ja, wo du jemanden um einen Gulden täuschst und über-
vorteilst, soll es dir den ganzen Haufen wegrosten und auffressen, daß du daran nim-
mer froh wirst.
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Das freilich sehen und erfahren wir täglich vor unseren Augen, daß kein gestohlenes
und betrügerisch erlangtes Gut gedeiht. Wie viele gibt es, die Tag und Nacht scharren
und kratzen und doch um keinen Heller reicher werden? Und wenn sie auch viel
sammeln, haben sie doch soviel Plage und Unglück, daß sie es weder mit Freude ge-
nießen noch auf ihre Kinder vererben können. Aber weil sich niemand daran kehrt
und wir hingehen, als ginge es uns nichts an, muß er uns anders heimsuchen und Mo-
res lehren, indem er eine Plünderung nach der anderen über uns kommen läßt oder
einen Haufen Landsknechte zu Gast lädt, die uns in einer Stunde Truhen und Taschen
räumen und nicht aufhören, solange wir einen Heller haben. Dazu zum Dank ver-
brennen und verheeren sie Haus und Hof, schänden Frauen und Kinder und bringen
sie um. Alles in allem: Stiehlst du viel, so erwarte gewiß, daß dir noch einmal soviel
gestohlen wird. Und wer mit Gewalt und Unrecht raubt und gewinnt, lasse es sich
gefallen, daß ihm ein anderer auch so mitspielt. Denn Gott ist ein Meister dieser
Kunst: Weil jedermann den anderen beraubt und bestiehlt, straft er den einen Dieb
durch den andern. Wo sollte man sonst Galgen und Stricke genug hernehmen?
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Wer nun mit sich reden lassen will, soll wissen, daß es Gottes Gebot gibt und es für
keinen Scherz gehalten werden will. Denn wenn du uns verachtest, betrügst, be-
stiehlst und beraubst, wollen wir uns noch darein finden und deinen Hochmut aushal-
ten, erleiden und, dem Vaterunser folgend, vergeben und uns erbarmen. Denn den
Frommen ist doch genug zugedacht, und du schadest dir selbst mehr als einem ande-
ren. Aber hüte dich davor, wenn die liebe Armut (welche es gerade jetzt viel gibt)
kommt, welche für den täglichen Pfennig kaufen und davon zehren muß, daß du los-
legst, als müßte jeder von deiner Gnade leben, sie schindest und schabst bis auf die
Knochen, dazu mit Stolz und Übermut den abweist, dem du geben und schenken soll-
test. So geht sie dahin elend und betrübt, und weil sie es niemandem klagen kann,
schreit und ruft sie zum Himmel. Da hüte dich (sage ich abermals) wie vor dem Teufel
selbst. Denn solches Seufzen und Rufen ist kein Scherz, sondern wird eine Wirkung
haben, die dir und aller Welt zu schwer werden wird. Denn es wird zu dem dringen, der
sich der armen, betrübten Herzen annimmt und sie nicht ungerächt lassen will. Verach-
test du es aber und bist trotzig, so schau, wen du auf dich geladen hast. Wird es dir ge-
lingen und gut gehen, sollst du Gott und mich vor aller Welt als Lügner beschimpfen.